Der Verein Freie Volksbühne Berlin bekommt zu spüren, dass das Publikum sich nach der langen Corona-Strecke umorientiert. Er organisiert für seine Mitglieder die Besuche bei vielen Kulturveranstaltern – und muss nun viel rückabwickeln.

Berlin - Die Freie Volksbühne Berlin (FVB) stellt sich auf einen tief greifenden Wandel im Publikumsverhalten von Theatern und Oper ein. „Corona wird nachhaltigere Spuren hinterlassen, als wir denken“, sagte Geschäftsführerin Alice Ströver. Unter den bisher rund 6400 Volksbühnen-Mitgliedern, die über die FVB Karten von rund 250 Kulturveranstaltern beziehen, werde die Verunsicherung immer stärker, sagte Ströver. Seit 2017 tritt der Verein unter dem Namen „Kulturvolk“ auf.

 

Einbruch bei Ticketbestellungen

Trotzdem will sich die Besucherorganisation den Mut nicht nehmen lassen. An diesem Montag und Dienstag erinnert sie in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit einer Revue zu Ehren des legendären Regisseurs Erwin Piscator (1893-1966) an ihre Gründung vor 130 Jahren. Mit von der Partie sind unter anderem Ilse Ritter, Ilja Richter, Hermann Treusch, Hubert Wild sowie der SPD-Politiker Kevin Kühnert.

Die Pandemie stelle die FVB vor große Herausforderungen. „Eigentlich war bis Februar alles perfekt“, sagte Ströver. Im vergangenen Jahr hatte die FVB mit einem Umsatz von 1,6 Millionen Euro ein wachsendes Interesse an ihrem Angebot zur Kulturvermittlung verzeichnet. Mit dem Ausbruch der Pandemie seien die Bestellungen eingebrochen, Tickets für mehr als 200 000 Euro habe die FVB rückabwickeln müssen. „Wir sind als Verein schon sehr gebeutelt“, sagte Ströver, die frühere kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, die seit 2012 die Freie Volksbühne leitet.

Kein vereinfachtes Verfahren

Auch der zögerliche Neustart stellt die sieben Festangestellten vor schwierige Aufgaben. So müsse sich die FVB bei jedem einzelnen Ticketkäufer das Einverständnis zur Datenweitergabe einholen. Sie habe Kultursenator Klaus Lederer (Linke) von einem vereinfachten Verfahren nicht überzeugen können, sagte Ströver.

Die FVB war 1890 gegründet worden, um Arbeitern den Zugang zu Bildung und Kultur zu ermöglichen. 1914 öffnete sie ein eigenes Theater am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz. Damals hatte die Volksbühne 70 000 Mitglieder. 1939 lösten die Nationalsozialisten die Organisation auf und enteigneten das Theater. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das zerstörte Theater wieder aufgebaut.