Das Schauspiel sagt wegen finanzieller Sorgen fast alle Vorstellungen bis Ende Juli ab. Die Staatstheater wollen so schnell wie möglich in Kurzarbeit gehen, um Personalkosten zu sparen. Die Folgen für das Publikum sind noch unabsehbar.

Stuttgart - Gerade erst gewonnen, schon zerronnen: Die Schauspielsparte des Staatstheaters stellt seinen erst jüngst nach dem Corona-Lockdown wieder aufgenommenen Spielbetrieb vorzeitig wieder ein, drei Wochen früher als geplant. Die beiden noch ausstehenden kleinen Premieren, „Black Box“ von Rimini Protokoll und „Die Nacht kurz vor den Wäldern“ von Bernard-Marie Koltès, finden zwar noch statt. Doch die „Black Box“ ist dann nur noch zweimal zu erleben, das Koltès-Stück nach der Premiere sogar überhaupt nicht mehr.

 

Eingestellt wird zudem nicht nur die gerade erst begonnene Hofbespielung mit Theresia Walsers „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“, sondern auch die Bühnenfassung der „Schäfchen im Trockenen“, das „Lesenest“ im Foyer und das erfolgreiche Lyriktelefon – mithin also alles, für was das Schauspiel erst jüngst wegen seiner Kreativität und seinem Ideenreichtum überregional gelobt wurde, bis in die „New York Times“ hinein. Alle bereits vorbestellten und bezahlten Eintrittskarten werden zurückerstattet.

Das Ministerium wurde offenbar kalt erwischt

Als Begründung für diesen weitreichenden Schritt führt das Staatstheater einen Tarifabschluss an, den die Landesregierung mit den Gewerkschaften über die Möglichkeit von Kurzarbeit abgeschlossen habe. Damit bestehe „ab sofort die rechtliche Grundlage, in allen Arbeitsbereichen der Staatstheater Kurzarbeit einzuführen“. Dies sei nötig, um durch Einsparungen bei den Personalkosten Ausgleich zu schaffen für die erheblichen Mindereinnahmen, die dem Haus seit seiner Corona-bedingten Schließung am 13. März entstanden seien – und weiter entstehen, weil ja auch der aktuelle Spielbetrieb nur vor stark vermindertem Zuschauerkreis stattfinden könne.

Das Kunstministerium wurde von der Mitteilung offenbar kalt erwischt, zumal die Presseinformation erst am Freitagabend, ein wenig jenseits der üblichen Staatstheater-Bürostunden, versandt wurde. Mit einer offiziellen Stellungnahme wolle man warten bis zu Gesprächen mit der Intendanz in der kommenden Woche, hieß es. Staatssekretärin Petra Olschowski (Die Grünen) wies allerdings darauf hin, dass der besagte Tarifvertrag zwar fertig verhandelt, aber noch gar nicht unterschrieben sei. Dies könne womöglich am Montag geschehen.

Die Spielplan-Pressekonferenz wurde schon zweimal verschoben

Ebenfalls war am Wochenende nicht zu erfahren, ob auch Oper und Ballett ihre noch im Juli geplanten Vorstellungen absagen werden. Für das Ballett wäre das besonders bitter; schließlich soll die Premiere des neuen Ballettabends am 25. Juli dank der finanziellen Unterstützung der Porsche AG sogar live auf den Kulturwasen übertragen werden.

Das Staatstheater Stuttgart hat offensichtlich erhebliche Probleme, angesichts noch offener Hygiene-Vorgaben der Landesregierung für den Herbst Spielpläne für die kommende Saison zu erstellen. Die traditionelle Pressekonferenz mit der Saisonvorschau, wichtig auch für den Verkauf von Abonnements, wurde bereits zweimal verschoben. Sie ist nun angesetzt für den 22. Juli – zwei Tage nach einer Sitzung des Staatstheater-Verwaltungsrates. Diesem politischen Termin wird angesichts der nun offenkundigen Finanzierungsengpässe der Staatstheater wohl entscheidende Bedeutung zukommen.