Die 14. Kultur- und Einkaufsnacht in Feuerbach am Wochenende ist ganz im Zeichen des Neubeginns nach der Corona-Zwangspause gestanden. Die Besucher haben die Veranstaltungen und das Bummeln in vollen Zügen genossen.

S-Feuerbach - Gerade erzählt Jürgen Kaiser als Büttel von Feuerbach, wie der Stadtbezirk zu seiner Kelter gekommen ist. Dann gibt er seinem kleinen Gehilfen Anweisung: „Jetzt darfsch schelle, Bua!“ Der Junge lässt sich das nicht zweimal sagen und läutet mit der Handglocke zum Aufbruch, als ob es kein Morgen gäbe. Und Aufbruch lag bei der Feuerbach-Nacht am Samstag überdeutlich in der Luft: Endlich wieder Kultur satt, endlich wieder bummeln.

 

Ein Lego-Modell, das das Ausmaß des Tiefbunkers am Bahnhofplatz zeigt

Drei Mal führte der Büttel an diesem Abend für den Bürgerverein durch den Alten Flecken. Und es gab noch einen Rundgang: Der Verein Schutzbauten Stuttgart zeigte, wo im Stadtbezirk die Überreste des Zweiten Weltkriegs bis heute sichtbar sind. Außerdem präsentierten seine Mitglieder vor dem Rathaus ein Lego-Modell, das das ganze Ausmaß des Tiefbunkers am Bahnhofplatz zeigt; öffentlich zugänglich ist nur ein kleiner Teil. „Jetzt suchen wir eine Stelle, wo wir das Modell ausstellen können“, sagt Jochen Schmaus. „Notfalls unterirdisch im Bunker, besser wäre aber überirdisch und für alle sichtbar.“

Wer seine Veranstaltungen draußen durchführte, konnte die Coronaregeln leichter einhalten. Wie Sonja Traub von Blumen Pietsch, die die Lesung mit Autor Frank Rebitschek vor dem Laden angesetzt hatte – auch wenn es empfindlich kühl war. Anders als befürchtet, lauschten später aber etliche Gäste andächtig: Die Sehnsucht nach Kultur scheint nach der Zwangspause besonders groß zu sein. Traub spricht aus, was an diesem Abend häufiger zu hören war: „Es ist so schön, dass es endlich wieder eine Feuerbach-Nacht gibt!“

Euphorische Stimmung und eine lange Schlange am Impfbus

Die letztjährige Veranstaltung war für Ende März geplant gewesen und musste gut zwei Wochen vorher abgesagt werden – ein schmerzhafter Verlust für die beteiligten Kulturschaffenden und Einzelhändler. Der Herbsttermin war nun ein Versuch, ihnen dieses Jahr doch noch eine Plattform anzubieten. Ob man im kommenden Jahr wieder mit dem gewohnten Frühjahrstermin an den Start gehe, werde sich in der Nachbereitung zeigen, erläuterte Günther Röder, der die Veranstaltung für „die Aktiven im Gewerbe- und Handelsverein“ mit organisiert hatte.

Jetzt aber lag Hoffnung in der Luft und die Stimmung war beinahe euphorisch, trotz des gewohnten Prozedere: Meldezettel ausfüllen, Impfnachweis vorlegen. Dann gab es einen Stempel auf den Handrücken, mit dem man auch alle anderen Programme besuchen konnte. So mancher nutzte die Kulturnacht aber auch und wartete geduldig in der langen Schlange am Impfbus, wo an diesem Abend Erst-, Zweit- und Drittimpfungen ohne Termin angeboten wurden. Aufbruch zuhauf und in jedem Sinn.

Weniger Programmpunkte als früher, aber zwei neue Kulturstätten

Mal gab sich die Feuerbach-Nacht international: Beim indonesischen Gamelan-Ensemble im Freien Musikzentrum, bei der katholischen Gemeinde St. Josef, wo die japanische Bambusflöte Shakuhachi erklang, und im Rathaussaal, wo zwei Konzerte den venezolanischen Feuerbacher Alfonso Montes und seine Kompositionen ehrten. Manches war poetisch, wie die neue Ausstellung der Schwerpunktgalerie im Neuen Gymnasium Leibniz. „Selective Perception“ mit den Künstlern Pirmin Lang, Hailin Wang und Dani Kangu ist bis 18. November zu sehen.

Besonders erfreulich bei dieser so hoffnungsvollen Feuerbach-Nacht: Auch wenn das Programm insgesamt weniger Punkte als früher verzeichnete, waren gleich zwei neue Kulturstätten mit von der Partie: Das Café Klavierzimmer allein deckte eine Spannbreite von Solo-Klavier, Lesung, Chanson und Jazz ab. Und die evangelische Stadtkirche mit ihren Chören hielt es mit dem Motto „singen und singen lassen“. Mit Liedern zwischen „Die Sonne sinkt ins Meer“ bis „Der Mond ist aufgegangen“ verklang hier äußerst stimmungsvoll der Abend.