Zwei Initiativen rufen am Samstag zu einer Gedenkkundgebung in Winterbach auf. Vor genau zehn Jahren haben Rechtsextreme am Winterbacher Engelberg fünf junge Männer mit Migrationshintergrund in eine Hütte getrieben und diese angezündet.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winterbach - Die harmonische Grillparty am Winterbacher Engelberg findet ein jähes und brutales Ende. Wie aus dem Nichts stürmt eine Horde Unbekannter das Gartengrundstück und attackiert die fünf friedlich feiernden jungen Männer. Eine regelrechte Hetzjagd beginnt. Als die Angegriffenen in Panik in eine Hütte flüchten, stecken die Angreifer diese in Brand.

 

Die jungen Männer mit italienischen und türkischen Wurzeln kommen wahrscheinlich nur mit dem Leben davon, weil sie per Handy einen Notruf an die Polizei absenden können. Aber sie erleiden Rauchgasvergiftungen, Brüche, Prellungen, Quetschungen und Gehirnerschütterungen – und ein Trauma, das sie möglicherweise ihr Leben lang begleiten wird. Wie sich herausstellte, gehörten ihre Peiniger der rechtsextremen Szene an.

Gedenkdemonstration startet um 15 Uhr

Am morgigen Samstag liegt der Vorfall, genau zehn Jahre zurück. Er ist zwar der Anlass für eine Gedenkdemonstration, die um 15 Uhr am Winterbacher Bahnhofsvorplatz starten soll, aber nicht der einzige Grund. „Auch wenn sich die Nazi-Szene gegenüber damals im Rems-Murr-Kreis vielleicht etwas geändert hat, der Sumpf und die Gefahr, die von Rechts ausgeht, ist nach wie vor da“, sagt Tim Neumann vom Bündnis Zusammen gegen Rechts, welches die Gedenkdemonstration gemeinsam mit der Initiative Rems-Murr-Nazifrei organisiert.

Das Massaker in Hanau mit neun Toten im vergangenen Jahr, der Anschlag in Halle mit zwei Toten und der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke jeweils ein Jahr zuvor zeigten die skrupellose Gewaltbereitschaft einzelner Radikalisierter. Aber die Intoleranz gegen Andersdenkende und Fremdenfeindlichkeit seien mittlerweile auch längst in der Gesellschaft angekommen. „Die AfD hat das umgesetzt, was die NPD nicht umgesetzt hat“, sagt Neumann.

Der Brandanschlag von Winterbach und dessen juristische Aufarbeitung habe seinerzeit einmal mehr vor Augen geführt, dass es auch im Rems-Murr-Kreis einen Nährboden für rechte Umtriebe gebe, sagt Walter Burkhardt von der Initiative Rems-Murr-Nazifrei. Die Hetzjagd sei von einem benachbarten Gartengrundstück ausgegangen, auf dem eine große Gruppe zum Teil polizeibekannter Rechtsextremer ein Treffen veranstaltet habe. Einige der Teilnehmer seien eigens aus anderen Bundesländern angereist. Auch wenn sich der Brandstifter nicht ermitteln ließ, wurden zwölf Personen vom Landgericht Stuttgart zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

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Während der Recherchen um den Brandanschlag hatte sich zudem herausgestellt, dass die NPD in Korb zwei Landesparteitage abgehalten und im Juni 2010 deren Ableger-Organisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) einen Bundeskongress in einem Gasthaus veranstaltet hatte. Weil sowohl der Bürgermeister als auch der Landrat und der Polizeichef davon wussten und dies der Bevölkerung verheimlichten, schlugen die Wogen hoch. Auch die Linde im Schorndorfer Ortsteil Weiler galt zu dieser Zeit als ein regelmäßiger Treffpunkt der Rechtsextremen. Das Gasthaus ist zwar mittlerweile verkauft, aber es soll dennoch das Ziel des Demonstrationszuges sein. „So, wie schon vor zehn Jahren, als es kurz nach dem Brandanschlag die erste Solidaritätskundgebung gegeben hatte“, wie Walter Burkhardt sagt. Die darauf folgenden regelmäßigen Mahnveranstaltungen hätten sicherlich dazu beigetragen, dass die Linde heute nicht mehr als Treffpunkt der Rechten genutzt werde.

300 Personen sind angemeldet

Genau das ist den Initiatoren auch nach zehn Jahren wichtig: die Aufklärung vor Ort. Man dürfe die rechte Gefahr nicht ignorieren, sondern sollte ihr möglichst breit entgegen treten, sagt Tim Neumann. 300 Personen sind zu der Gedenkdemonstration am morgigen Samstag angemeldet. Man habe die Hoffnung, dass trotz der Coronapandemie viele nach Winterbach kommen. Ein entsprechendes Hygienekonzept mache das möglich, die Veranstalter wollen eigenem Bekunden nach auf Abstand und Masken achten.