Eine alte Kupferbadewanne aus dem Mineralbad Berg steht im Mittelpunkt einer Aktion des Stuttgarter Künstlers Edgar Harwardt. Sie wird in dem sanierten Bad, das im September eröffnet wird, einen neuen Platz finden. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Spurensuche.

Stuttgart - Von der goldenen Nase, die sich einer verdient, über den Goldenen Schnitt, der Strecken harmonisch unterteilt, bis zum Betongold, das Immobilieninvestoren noch reicher macht: Das Wort Gold ist immer dann goldrichtig eingesetzt, wenn es um Wertvolles, Kostbares und Schönes geht. Wenn Bernd Höger ein Goldplättchen nimmt, die Hände heftig einige Sekunden aneinander reibt, dann ist das Edelmetall wie durch Zauberhand plötzlich verschwunden. Kein Magier ist da am Werk, Höger ist Handwerker mit einer Werkstatt im Stuttgarter Stadtteil Zazenhausen, wo die Großstadt eher ein Dorf ist. Dort entwirft und baut er Bilderrahmen aus Metall und anderen Materialien – und er vergoldet. „Die Blättchen sind so dünn, dass sie sich beim Reiben quasi auflösen“, erklärt er die handwerkliche Zauberei.

 

Neuer Platz in Eingangshalle

Edgar Harwardt sieht amüsiert zu, für den Künstler geht die Magie des Goldes aber weit über ein wundersames Kunststückchen hinaus. Er hatte einst Aufsehen erregt, als er im Goldkostüm auf dem Kunstgebäude den Hirsch jagte (das Outfit ist im Stadtpalais zu sehen), später ließ er von Höger ein schmiedeeisernes Tor des Pragfriedhofs vergolden. Gold stehe für einen Schatz, so wie ihn Stuttgart in seinem Mineralwasser habe, nach Budapest das zweitgrößte Aufkommen Europas. Und Gold stehe für Wertvolles, so wie es Gesundheit und Genesung seien, die sich die Menschen vom Bad im Mineralwasser erhofften.

Diese bedeutungsschwangeren Assoziationen sind es, die Harwardt in einer ungewöhnlichen Kunstaktion umsetzt. Er hat schon vor Jahren aus dem Mineralbad Berg eine der alten Kupferbadewannen gerettet, die nun von Höger teilweise vergoldet wird. Sie wird in der Eingangshalle aufgestellt, wenn das mittlerweile städtische Bad nach vierjähriger und rund 35 Millionen Euro teurer Sanierung Mitte September wieder eröffnet – auch eine Erinnerung an das alte private „Neuner“, das viel beschrieben längst Legende ist in Stuttgart.

Schwierige Arbeit an der Wanne

Für Höger ist das harte Arbeit. Der Handwerker hat extra ein Montagegestell zusammengebaut, damit er an der gut 100 Kilogramm schweren Wanne arbeiten und sie allein bewegen kann. Zuerst musste der alte Lack, der außen in Beige und Taubengrau die Wasserlinie markierte, abgeschliffen werden, dann das Kupfer, eigentlich Rotguss, herausgearbeitet und poliert werden, ehe Höger mit dem Vergolden beginnen konnte. Rund 600 hauchdünne Goldplättchen, acht auf acht Zentimeter groß und jedes rund 2,50 Euro teuer, bringt er mit einem Pinsel in mühevoller Handarbeit auf der Innenseite der Wanne auf, deren ungleichmäßige Biegung und Neigung eine besondere Herausforderung für den versierten Vergolder darstellt. Rund zwei Wochen werkelt er daran. In diesen Tagen will er fertig sein, damit die Wanne Anfang September rechtzeitig an ihren Platz im sanierten Bad kommt.

Erinnerung an Mineralwasserschatz

Und Harwardt? „Mehr als Silber und Gold hebt die herrliche Quelle aus der Tiefe empor den Schatz der Schätze: Genesung“, zitiert er eine alte Inschrift im Mineralbad Berg, mit dessen früherem und im Jahr 2006 verstorbenem Chef Ludwig Blankenhorn er in engem Kontakt stand. Daraus resultierte schon im Jahr 2001, als das Bad noch in privater Regie betrieben wurde (heute ist es im Besitz der Stadt), die Installation namens „Die Badewanne findet im Hauptbahnhof Platz“. Damit wollte Harwardt nicht nur an ein Zitat von Joseph Beuys („Die Mysterien finden im Hauptbahnhof Platz“) zu dessen 80. Geburtstag erinnern, sondern auch ins Bewusstsein rufen, welche Bedeutung das damals heftig diskutierte Heilquellenschutzgebiet für Stuttgart hat. Dass eine Wanne, die Harwardt an „U-Boot, Sarkophag und Wiege“ erinnert, nun zurück ins Berg kommt, beschließt für ihn eine Geschichte, die „vor 20 Jahren begonnen hat“.

Die Realität hinter der Realität

Der 66-jährige Künstler, früher Antiquar, spürte auch die Seismogramme der Stuttgarter Erdbebenwarte als Zeugnisse der Bombennächte im Zweiten Weltkrieg auf. Er sieht sich als „Entdecker von Zusammenhängen und Ideen“. Das Wirkliche, also die Realien, hätten nicht nur ihren offensichtlichen, ihren realen Zweck, sondern noch viele andere, die „durch die künstlerische Betrachtungsweise“ freigelegt würden.

Und so ist die Badewanne eben nicht nur ein Platz, in dem Menschen im Mineralwasser sitzen, sondern auch ein Symbol für Gesundheit und Genesung, den Schatz eines jeden Menschen.