In der Projektwoche „Schatzsuche mit Picasso am Strand“ lernten Kinder Picasso kennen – und wurden selbst zu Künstlern. Bei der Ausstellungseröffnung ihrer Kunstwerke im Springbrunnen der Stuttgarter Staatsgalerie haben sie dann vor allem geplanscht.

S-Ost -

 

Urplötzlich wird es in den sonst vereinsamten Springbrunnen vor der Staatsgalerie bunt und laut: Etwa 20 Kinder und drei Erwachsene springen hinein. Bei 33 Grad im Schatten machen sie genau das, wofür Springbrunnen eigentlich da sind: Planschen, herumspritzen, tauchen und toben. Liegestühle haben sie dabei, Schwimmbrillen und Sonnenhüte, ein fettes, aufblasbares gelbes Plastikpferd – und ihre eigenen Kunstwerke.

Die Kunstwerke haben sie am Tag zuvor im Spielhaus im Stuttgarter Osten selbst gebaut. Im Rahmen der Projektwoche „Schatzsuche mit Picasso am Strand“ des Sommerferienprogramms besuchten sie die Staatsgalerie, um die Bilder und Skulpturen des großen Künstlers zu betrachteten und zu skizzieren.

Kunst aus Holz, Rädern und Sprungfedern

Dort trafen sie auch auf „Die Badenden“, sechs Holzfiguren von Picasso, die er 1956 aus Fundstücken zusammengesetzt hatte. So wie Picasso gingen auch die Kinder am nächsten Tag im Spielhaus auf Schatzsuche und sammelten dabei Materialien, die ihnen für den Bau der eigenen Figuren sinnvoll erschienen: Neben Holz fanden sie alte Räder und Sprungfedern einer alten Matratze. „Ich würde sagen, die Figuren von Picasso haben sie dabei übertroffen, zumindest was die Größe angeht“, findet der Kunstvermittler Stefan Stegmaier, der mit den Kindern zusammenarbeitete.

Die größte der Skulpturen war anfangs vier Meter hoch. „Endormen“ heißt die schwarze Figur mit den grellroten Augen. Ihr Erbauer heißt Justus, und er spielt wohl gerne Minecraft, denn die Inspiration für die Figur kommt aus dem PC-Spiel. „Man sieht: Die Kinder erfinden ihre eigenen Geschichten, auch wenn die vielleicht weit weg sind von Picasso“, sagt Egmont Pflazer, Stegmaiers Kollege.

„Sie sind so stolz auf ihre Arbeiten“, sagt Ingrid Bauer, die Leiterin des Spielhauses. Seit 18 Jahren arbeitet sie schon dort. Jeden Sommer macht das Haus sechs Wochen lang Ferienprogramm: Während der Modewoche lernen die Kinder beispielsweise, eine Nähmaschine zu bedienen und fertigen ihre eigenen Kleider oder Turnbeutel, in der Druckwerkstatt machen sie Holzschnitte, und auch Fahrradausflüge zum Bootshaus und eine Elektrowerkstatt sind geplant. Als Bauer die Figuren ins Auto lud, um sie vom Spielhaus zur Staatsgalerie zu fahren, rannte Justus ihr hinter. „Ich liebe dich, Endormen!“, hat er der Figur hinterhergerufen. Er will ihn nach der Woche mit nach Hause nehmen.

Ein außerschulisches Bildungsangebot

Seit 41 Jahren gibt es das Spielhaus nun: 1977 wurden das niedrige Häuschen unter den Platanen im südlichen Schlossgarten anlässlich der Gartenschau gebaut. Es ist stehen geblieben, und das Team im Haus lädt Kinder seitdem das ganze Jahr über zum werkeln und toben ein. „Uns ist wichtig ein außerschulisches Bildungsangebot anzubieten“, sagt Bauer. Was die Kinder im Spielhaus machen, soll ihnen neue Inputs liefern, aber vor allem viel Spaß bereiten.

Die Projektwoche ist eine Kooperation zwischen dem Stuttgarter Spielhaus im südlichen Schlosspark und Staatsgalerie, finanziert von der LBBW-Stiftung. „Sonst könnten wir uns das nicht leisten, zwei Wochen lang kostenlos Programm zu machen“, sagt Anke Menz-Bächle, die an der Staatsgalerie für die Kunstvermittlung zuständig ist. Die Staatsgalerie bietet zwar das ganze Jahr über auch Programm für junge Menschen an. Aber die besuchen meist nur Kinder von Eltern, denen Kunst und Museen wichtig sind, und die Workshops beschränken sich meist auf ein paar Stunden. „Wenn das Programm über ein paar Tage geht, dann ist viel mehr Zeit, sich mit den Werken auseinanderzusetzen und selbst künstlerisch aktiv zu werden“, sagt Menz-Bächle. „Die Kinder sind ganz offen für Kunst, sie können sich viel mehr vorstellen als ihre Eltern“, sagt sie. Bewusst hat die Staatsgalerie auch Kinder einladen wollen, die nicht so oft ins Museum gehen.

„Voll cool“ fand Justus den Tag in der Staatsgalerie. Ursprünglich war ein zweiter Besuch geplant. Der fiel aber, wie die Kinder, ins Wasser: Die Staatsgalerie will zwar Erlebnisort sein, aber triefnasse Gestalten dürfen trotzdem nicht hinein. Und so bleibt die Kindergruppe im Springbrunnen. Aber Pflanzer ist sich sicher: „Hier hätte auch Picasso seine Badenden sicher viel lieber ausgestellt.“