Alle reden über die Schulen. Doch auch an den Kunstakademien muss der Unterricht irgendwie weitergehen. Für die Bildhauerin und Stuttgarter Professorin Birgit Brenner stellt sich die schwierige Frage, wie man Bildhauerei und Installationen digital unterrichten soll.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es wird viel über die Nöte der Schulen und die Probleme des Online-Unterrichts geredet. Aber wie unterrichtet man Kunst digital? Birgit Brenner ist an der Stuttgarter Kunstakademie Professorin für Installation – und versucht, den Lehrbetrieb übers Netz am Laufen zu halten. Leicht ist das nicht, weil die meisten Studierenden keine Arbeitsräume haben.

 

Frau Brenner, unterrichten Sie Ihre Bildhauer-Klasse digital?

Ja, wir machen Zoom-Konferenzen. Montags findet eine Klassenbesprechung statt. Ansonsten mache ich Einzelbesprechungen, damit ich die Studierenden nicht vollkommen verliere. Aber es ist schwierig.

Wieso?

Bei den Digitalkonferenzen kommt kein lebendiges Gespräch zustande. Es ist schwer, in einen Dialog zu kommen, meist ist es ein Monolog. Bei den Einzelgesprächen geht das besser.

Wie arbeiten die Studierenden jetzt?

In Grunde sind sie seit einem Dreivierteljahr mehr oder weniger im Lockdown. Es dürfen nur Härtefälle an der Akademie im Atelier arbeiten – und das auch nur allein. Da auch die Werkstätten nur mit Härtefall zugänglich sind, haben die Studierenden nicht die Werkzeuge und Technik, die sie bräuchten – es ist es ja die Installationsklasse. All das lähmt, man merkt, dass sie keine Experimente machen können, sondern nur rein konzeptionell arbeiten.

Was Sie dann am Bildschirm gezeigt bekommen?

Ja, eigentlich ist es üblich, dass die Studierenden der Klasse ihre Arbeit präsentieren, um zu üben, wie man darüber spricht, und um zu sehen, was funktioniert und was weniger gut funktioniert. Das ist digital schwierig, man muss den Bildschirm teilen, einige haben nur ein Handy.

Was unterrichten Sie dann jetzt?

Ich versuche, die Dinge am Laufen zu halten. Wir haben im Herbst eine Klassenausstellung im Kunstverein Neuhausen, für die ich jetzt das Thema Fake-News ausgegeben habe. Dazu müssen die Studierenden nun recherchieren. Wir füttern eine Plattform mit Theorie und Praxis. Damit sind sie beschäftigt – und damit versuche ich, diese Leere zu überbrücken.

Ist die Stimmung gedrückt?

Ja. Der Anfang eines Kunststudiums ist immer schwer, Themen haben die Studierenden genug, aber die Bildfindung ist schwierig. Jetzt schlägt auch noch aufs Gemüt, dass sie keinen Austausch untereinander haben. Ich habe einige Neue in der Fachklasse, die jetzt im dritten Semester sind und eigentlich nichts anderes erlebt haben als Lockdown.

Wie sieht es mit Prüfungen aus?

Die Prüfung zum Vordiplom durften wir in den März verschieben. Aber auch sie wird nur mittels Abbildungen durchgeführt werden. Ich hoffe, dass wir im Sommer Diplom und Rundgang live durchführen können. Wenn das Sommersemester regulär anläuft, wird es wahnsinnig anstrengend, bis man alles wieder in Gang bringt.

Gibt es etwas Positives, das man auch in der Zeit nach der Pandemie beibehalten könnte?

Vielleicht werden wir Sitzungen künftig digital weiterführen, wenn nicht alle präsent sein können. Bei Sachthemen geht das manchmal gut. Aber künstlerischer Unterricht ist digital nicht zufriedenstellend. Ich habe früher auch mal Unterlagen verschickt und mit Studierenden telefoniert, aber man hat die Arbeiten irgendwann auch live gesehen. Alles, was mit Haptik zu tun hat, kann man nicht abbilden. Die Zwischentöne gehen verloren, das, was zwischen Wort und Bild ist. Außerdem muss ein Klassenverband etwas Dynamisches haben – und derzeit geht die Dynamik völlig flöten.

Künstlerin und Professorin

Person
Birgit Brenner wurde 1964 in Ulm geboren und hat an der Universität der Künste Berlin studiert.

Künstlerin
In ihren Installationen erzählt die Bildhauerin mittels Videos, Zeichnungen und Skulpturen Geschichten über Beziehungen und Geschlechterfragen. Seit 2007 ist die in Berlin lebende Künstlerin Professorin an der Stuttgarter Kunstakademie.