Lisa Biedlingmeier macht Musik und textile Arbeiten in Stuttgart und in Zürich. Teil 3 unserer Serie über die Menschen von den Stuttgarter Wagenhallen.

Lokales: Armin Friedl (dl)

S-Nord - Vielleicht ist das eine gute Lösung für ein drängendes Problem dieser Stadt: Den Stuttgarter Feinstaub hier einpacken und nach Zürich schicken. Die Künstlerin Lisa Biedlingmaier wäre dafür eine nahe liegende Kurierfahrerin, ist sie doch gleichermaßen in Stuttgart in den Wagenhallen wie in Zürich tätig. Und sie hat auch eine Nähe zu Feinstaub, schließlich heißt so eines ihrer Projekte.

 

Feinstaub klingt wie Feenstaub

Doch solchen Überlegung erteilt Biedlingmaier schnell eine Absage: „Das Projekt Feinstaub ist eine musikalische Angelegenheit, eine Performance mit Moritz Finkbeiner am Synthesizer. Ich spiele da einen großen Gong“. Und dann beschreibt sie lautmalerisch, wie dies anfangs ganz sanft und kaum hörbar rieselt aus dem elektronischen Instrument, wie der Gong kaum schwingt. Und wie beides allmählich wächst und anschwillt zu einem kraftvollen und mächtigen Raumklang. Ja, da schwingt auch viel Meditatives mit, der Performance-Besucher kann sich völlig hingeben in dieses Geschehen oder er kann den einzelnen Schwingungen und den Wechseln nachgehen. „Feinstaub, das klingt für mich auch wie Feenstaub“, bemerkt Biedlingmaier dazu. Wer seinen Lebensmittelpunkt vor allem in Stuttgart hat, dem ist solch eine Assoziation wohl eher fremd.

Ist dann etwa das Atelier der Künstlerin der Raum, der solche Assoziationen nahelegt? – Doch der ist äußerst zweckmäßig bis spartanisch in dem neuen Atelierhaus auf dem Wagenhallen-Gelände: Die Wände aus grauem Sichtbeton, die Leitungen auch zu den Nachbarräumen werden durch gut sichtbare Stahltraversen geführt. Und der Blick nach draußen endet nur wenige Meter weiter an der historischen Backsteinmauer der Wagenhallen.

Gespinste aus Stoffresten und Fäden

Kunst entsteht eben auch hier vor allem in der Empfindung des Künstlers. Und so bekommt auch dieser an sich völlig gesichtslos-austauschbare Raum den individuellen Biedlingmaier-Stempel. Etliche Gestelle stehen darin, in der Größe und Breite der eines Erwachsenen vergleichbar. An diesen sind verschiedenste Gespinste befestigt, zusammengesetzt aus Stoffresten, dünnen und ganz dicken Fäden, mal mehr, mal weniger dicht gewoben. Makramee heißt diese Knüpftechnik, die zuletzt zu Hippie-Zeiten sehr beliebt war.

„Das fasziniert mich jetzt schon seit mehr als einem Jahr“, so Biedlingmaier, „da sehe ich den Ballast, den wir mit uns herumtragen, die Verwicklungen, die wir um uns herum empfinden. So ist jede dieser Arbeiten einzigartig“. In der Tat: Mal scheinen diese Arbeiten an einigen Stellen regelrecht zerklumpt zu sein, mal auseinandergerissen, dann gibt es wieder Teile, fein gesponnen wie Spinnweben. Manches wirkt flauschig, anderes scheint länger im Dreck gelegen zu haben. Das Leben eben.

Viel los in Zürich, gut arbeiten in Stuttgart

Dieses Assoziationsspiel funktioniert natürlich bestens in Zürich wie in Stuttgart. Die zwei Standorte kommen aus ihren Studienjahren in beiden Städten, welche die in Georgien Aufgewachsene im Laufe der Jahre auch durch viele Gemeinschaftsaktivitäten gut kennengelernt hat. Biedlingmaier: „Zürich hat als größte Stadt der Schweiz viel zu bieten für Künstler, hier kommen viele Interessen zusammen: Von der Stadt, vom Kanton, vom gesamten Land. Da gibt es viele Ausstellungs- und Förderungsmöglichkeiten auf den verschiedensten künstlerischen Ebenen“.

Doch das Leben in Zürich hat auch seinen Preis: „Ein Atelier zu bekommen in dieser Größe zu diesem Preis wie hier auf dem Wagenhalle-Gelände, das ist weder in Zürich noch im Umland dort möglich“. Und ein Künstlerviertel, das vor einer weiteren Verwandlung steht samt den ihn umgebenden Stadtteil, das hat Zürich auch nicht zu bieten.