Das Fellbacher Kunstwerk will seine Galerie stärker öffnen – und stellt Fotografie von Frank Paul Kistner und Bernhard J. Widmann aus.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Elektriker möchte man da nicht sein. Man wäre ja doch nur hoffnungslose verloren bei all den Drähten, Kabeln und Strippen, den Klemmen und Ösen. Kreuz und quer zieht sich durch Bangkok das Kabelgewirr, verästelt sich hier, hängt dort scheinbar unmotiviert herunter. Und doch funktioniert alles, Telefon, Internet, Strom – fast ein Wunder. Für Frank Paul Kistner aber sind die irrwitzigen, überirdisch geführten Stromkabel abstrakte Kompositionen, die ein Zeichner besser nicht einfangen könnte. Der Stuttgarter Fotograf hat die profanen Drähte und Kabel fotografiert. Die Ergebnisse aber, die er jetzt in der Galerie Kunstwerk Fellbach ausstellt, sind geheimnisvolle grafische Strukturen jenseits von Raum und Zeit. Die Kameraperspektive ist raffiniert gewählt, sodass das Auge kaum mehr Bezüge zur Realität herstellen kann und sich auch nicht ausmachen lässt, ob diese Lineaments zwei- oder dreidimensional sind, schwarz-weiß oder farbig, plastisch oder grafisch.

 

„Lebensmächtig“ nennt sich die Ausstellung von Frank Paul Kistner und Bernhard J. Widmann. Die Künstlerinnen und Künstler, die im Kunstwerk Fellbach ihre Ateliers haben, wollen den großen Galerieraum künftig stärker öffnen und Workshops und Veranstaltungen anbieten, aber auch externe Künstler zu Ausstellungen einladen. Frank Paul Kistner ist Vorsitzender des Kunstvereins, der inzwischen vierzig Mitglieder hat. Die übrigen Vereinsmitglieder werden sich im Herbst in einer gemeinsamen Ausstellung präsentieren.

Porträt einer Erdbeere

Während die abstrakten Fotoarbeiten von Kistner mitunter an die informellen Arbeiten des Malers K. R. H. Sonderborg erinnern, lenkt Bernhard J. Widmann den Blick auf das, was uns Supermärkte heutzutage vorenthalten: Obst und Gemüse, das nicht der Norm entspricht. Begleitend zur Fellbacher Triennale der Kleinplastik, die sich mit dem Thema „Food“ beschäftigt, porträtiert Widmann zum Beispiel eine Erdbeere mit unschönen Auswüchsen. Riesenhaft hat er zwei Karotten in den Fokus genommen, die zusammengewachsen sind und sich zu umschlingen scheinen wie ein Liebespaar.

Die Lebensmittelbranche würde diese aufregenden Auswüchse der Natur aussortieren, bei Bernhard J. Widmann dagegen haben eine pockennarbige Birne oder eine abgebrochene Spargelspitze nicht nur Existenzberechtigung, sondern werden als bildwürdig erklärt und vielfach vergrößert - wie Persönlichkeiten, wie Individuen, die letztlich Metaphern sind für den Menschen, ob er der Norm entspricht oder nicht.

Ausstellung bis 26.Juni, geöffnet Samstag und Sonntag 14 bis 18 Uhr