Die Dürr-Tochter Homag baut Maschinen, mit denen der Produktionsprozess von Häusern industriell ablaufen kann. Der Lackieranlagenbauer hat ehrgeizige Ziele.

Stuttgart - Der Lackieranlagenbauer Dürr profitiert von der guten Baukonjunktur. „Das Bauen mit Holz hat die Nische verlassen und etabliert sich immer deutlicher als nachhaltige Alternative zum herkömmlichen Bauen mit Zement und Ziegeln“, sagt Dürr-Chef Jochen Weyrauch in einer Videokonferenz. Seinen Angaben zufolge haben Holzkonstruktionen beim Bau neuer Ein- und Zweifamilienhäuser in Baden-Württemberg bereits einen Anteil von knapp 40 Prozent. Die Dürr-Tochter Homag liefert die entsprechenden Maschinen für die Herstellung.

 

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„Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und hat eine hervorragende Klimabilanz“, zählt Weyrauch die Vorteile auf. Neben klassischen Zimmerereibetrieben und Fertighausbauern würden verstärkt auch Investoren und große Projektentwickler in den Holzbau einsteigen, erläutert Weyrauch, der Anfang des Jahres auf dem Chefsessel Platz genommen hat.

Günstiger Wohnraum

Diese errichteten mehrgeschossige Häuser oder ganze Quartiere in Holzbauweise, um in Ballungsgebieten günstigen Wohnraum in großem Maßstab zu schaffen. Damit sind nach Ansicht von Weyrauch Mietpreise zwischen zehn und zwölf Euro pro Quadratmeter möglich. Voraussetzung für solche Preise sei ein industrieller und damit automatisierter Produktionsprozess – und weniger Manufakturarbeit.

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Der Markt für Anlagen zur Produktion von Holzbauelementen wachse jährlich um gut sechs Prozent, prognostiziert Weyrauch. Homag ist zuletzt deutlich schneller gewachsen. Allein im Bereich Holzhausbau hat die Dürr-Tochter im vergangenen Jahr den Auftragseingang um mehr als 100 Prozent auf rund 185 Millionen Euro gesteigert. Insgesamt – also einschließlich etwa der Holzbearbeitungsmaschinen für die Möbelindustrie – verbuchte Homag im vergangenen Jahr Bestellungen von 1,7 Milliarden Euro (plus 60 Prozent). Damit ist dieses Geschäft, das in Schopfloch/Schwarzwald angesiedelt ist, nun der größte Bereich der Bietigheimer – größer noch als das Geschäft mit Lackieranlagen (Auftragseingang: knapp 1,4 Milliarden Euro; plus 19 Prozent).

Ergebnissprung

Mit der Entwicklung im vergangenen Jahr ist Weyrauch zufrieden. „2021 war von einer kräftigen Nachfrageerholung geprägt. Angesichts der weltweiten Lieferkettenprobleme und der fortdauernden Pandemie haben wir uns sehr robust entwickelt“, sagt er. Der Konzernumsatz stieg um 6,4 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) schnellte auf 175 (Vorjahr: elf) Millionen Euro in die Höhe. Unterm Strich wurde ein Gewinn von knapp 85 Millionen Euro erzielt – nach einem Minus von 14 Millionen Euro im Jahr zuvor.

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Dürr beschäftigt 17 800 Mitarbeiter, etwa 1300 mehr als im Jahr zuvor. Der Aufbau ist vor allem auf Akquisitionen zurückzuführen. In Deutschland sind mehr als 8600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.

Zuversicht für das laufende Jahr

Weyrauch bleibt für das laufende Jahr zuversichtlich. Aufgrund der guten Auftragslage erwartet er bis Ende 2022 einen Umsatz von 3,9 bis 4,2 Milliarden Euro; im günstigen Fall könnten die Erlöse damit um knapp 19 Prozent zulegen. Das Ergebnis soll noch stärker steigen. Angestrebt werde ein Nachsteuergewinn zwischen 130 und 180 Euro.

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Neben den Maschinen zur Holzbearbeitung könnte auch der Klimaschutz – die Nachfrage nach emissionsarmen Maschinen und Anlagen – ein Wachstumstreiber sein. „Wir helfen unseren Kunden, ihren ökologischen Fußabdruck deutlich zu verkleinern“, so Weyrauch. Denn eine traditionelle Lackieranlage ist mit einem Anteil von 40 Prozent der größte Energieverbraucher in der Autoherstellung. Schon heute könne Dürr CO2-neutrale Lackieranlagen bauen, so Weyrauch. Statt fossiler Brennstoffe, die früher etwa für den Trockenprozess verwendet wurden, habe man auf Strom, der grün sein muss, umgestellt. Zudem wurden digitale Lösungen entwickelt, durch die Lackierereien während eines kurzzeitigen Stillstands weniger Energie verbrauchen.

Für die Autoindustrie sei dies ein Thema. Es gehe ja auch nicht an, so Weyrauch, in einem Werk für Elektroautos nicht nachhaltig zu produzieren. Im vergangenen Jahr hat das Traditionsunternehmen, das im vergangenen Jahr 100 Jahre alt wurde, Aufträge von mehr als 775 Millionen Euro (plus 20 Prozent) für Produktionsanlagen für Elektroautos verbucht.

Wenig Geschäft in Russland

Mitarbeiter
Der Lackieranlagenbauer Dürr ist seit mehr als 40 Jahren in Russland präsent. Eine eigenständige Gesellschaft, die Dürr Systems RUS wurde allerdings erst 2007 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Moskau. Derzeit beschäftigt Dürr in dem Land etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zwischen ein und zwei Prozent des Konzernumsatzes werden in dem Land erzielt, sagt Dürr-Chef Jochen Weyrauch. In der Ukraine sei Dürr nicht präsent.

Aktivitäten
Dürr sei mit einem umfassenden Produktprogramm in Russland vertreten. Die Mitarbeiter vor Ort beraten, warten und machen etwa Umbauarbeiten im Auftrag der Kunden, die etwa aus der Autoindustrie kommen. Eine Einschränkung der Aktivitäten ist derzeit nicht geplant.