Das Auswärtige Amt hat seinen lange erwarteten Lagebericht für Syrien erstellt – er gibt den von CDU-Innenministern geforderten Abschiebungen in das Bürgerkriegsland keinen Spielraum. Demzufolge spricht sich der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid auch strikt dagegen aus.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Druck seitens CDU/CSU, den Abschiebestopp für Syrien aufzuheben, wächst. Über die Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Joachim Herrmann (CSU) hinaus mehren sich die Stimmen, zumindest schwere Straftäter und Gefährder zurückzuführen. Immerhin wurden dort schon 2017 insgesamt 720 000 Rückkehrer vor allem aus den Nachbarländern gezählt – und die militärische Gewalt lässt stetig nach. Anlass der Vorstöße ist die Innenministerkonferenz vom 28. bis 30. November in Magdeburg. Dort sollen nach Vorstellungen auf Unionsseite Nägel mit Köpfen gemacht werden.

 

Assads Schergen sind allgegenwärtig

Es handelt sich um einen wachsenden Koalitionskonflikt. Denn maßgeblich ist der nun fertiggestellte Lagebericht des SPD-geführten Auswärtigen Amtes. Laut dem 28-seitigen Werk „besteht in keinem Teil Syriens ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen“. Einzelne Rückkehrer hätten wieder einen Platz zum Leben gefunden. Doch „innerhalb der besonders regimenahen Sicherheitsbehörden, aber auch in Teilen der vom Konflikt und der extremen Polarisierung geprägten Bevölkerung gelten Rückkehrer als Feiglinge und Fahnenflüchtlinge, schlimmstenfalls sogar als Verräter beziehungsweise Anhänger von Terroristen“.

Systematisch terrorisiert Diktator Baschar al-Assad die Bevölkerung: „Polizei, Justizvollzugsbeamte und vor allem Sicherheits- und Geheimdienste wenden systematisch Folterpraktiken an, insbesondere gegenüber Oppositionellen oder Menschen, die vom Regime als oppositionell eingestuft werden“, heißt es. Es seien „zahllose Fälle dokumentiert, bei denen einzelne Familienmitglieder, nicht selten Frauen und Kinder, für vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder inhaftiert und gefoltert wurden“. Diese „Sippenhaft“ könne „bereits bei bloßem Verdacht auf mögliche Annäherung an die Opposition“ wirksam werden.

Inhaftierte oder gar völlig verschwundene Rückkehrer

Seit 2011 werden etwa 13 000 bestätigte Todesfälle nach Folter festgestellt. Auch gebe es „Vergewaltigungen, Folter und systematische Gewalt gegen Frauen von Seiten des syrischen Militärs und alliierter Gruppen unter anderem an Grenzübergängen, militärischen Kontrollstellen und in Haftanstalten“ statt. Rückkehrer würden einer „politisch motivierten Sicherheitsüberprüfung“ unterzogen. Schon wer aus einer oppositionsnah geltenden Ortschaft stammt, sei von Gewalt bedroht. „Es sind Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert wurden oder verschwunden sind.“ Männer von 18 bis 42 Jahren würden zumeist vom Militär eingezogen, nachdem sie wegen Desertation monatelang inhaftiert worden seien.

Rückkehrer geraten in eine desaströse Situation. Von 18 Millionen im Land lebenden Syrern gelten 13 Millionen als hilfsbedürftig und 5,6 Millionen als akut hilfsbedürftig. Da „bestehen wenige Möglichkeiten zur Schaffung einer ausreichenden Lebensgrundlage bzw. der Sicherung des Existenzminimums“, heißt es.

Die SPD hat daher eine klare Haltung eingenommen: „Abschiebungen lehne ich aufgrund der mir vorliegenden Kenntnisse über die gegenwärtige Lage in Syrien ab“, sagte der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Nils Schmid, unserer Zeitung. „In Syrien gibt es nicht nur weiterhin Kampfhandlungen, eine landesweite terroristische Bedrohung sowie eine nach UN-Angaben teilweise katastrophale humanitäre Versorgungslage, sondern zugleich eine verbreitete Rechtlosigkeit, Willkür und staatliche Verfolgung mittels Verhaftungen, Folter, Zwangsrekrutierungen und extralegalen Tötungen aus politischen Gründen.“

„Bei Syrien handelt es sich um ein ,Willkürregime’“

Nach wie vor würden ehemalige Oppositionelle entgegen ausdrücklicher Zusicherungen zwangsrekrutiert und an die Front geschickt. Zugleich gebe es zahlreiche Berichte, dass auch jetzt noch täglich Menschen verhaftet würden. Ihnen drohe Folter und Hinrichtung. „In Syrien kann jeder zum Opfer staatlicher Repression werden – sei es aus tatsächlicher oder nur vermeintlicher Opposition zum Assad-Regime“, so Schmid. Auch Familienangehörige seien häufig davon betroffen.

Dies sei auch ein entscheidender Unterschied zu Ländern wie Afghanistan, wo es zwar rechtsstaatliche Defizite, aber keine gezielte staatliche Verfolgung gebe. „Bei Syrien handelt es sich um ein ,Willkürregime’“, betonte der SPD-Außenpolitiker. Diplomatische Zusicherungen, die ohnehin nur sehr schwer zu bekommen sind, seien häufig nichts wert. Selbst Russland als enger Verbündeter des Regimes habe diese Erfahrungen machen müssen.

Da Deutschland gegenwärtig nicht über eine Botschaft in Damaskus verfüge, könne weder eine ordnungsgemäße Rückführung noch eine Erstbetreuung sichergestellt werden. Auch internationale Organisationen, wie der UNHCR die diese Aufgaben übernehmen könnten, seien vor Ort nicht vertreten. „Auch sie sind der Auffassung, dass die Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr in Würde und Sicherheit derzeit noch nicht gegeben sind“, sagte Schmid unserer Zeitung.