Norbert Lammert soll in seiner Doktorarbeit Mitte der 70er Jahre Literatur angegeben haben, die er möglicherweise nicht selbst gelesen hat. Der Chef des StZ-Wissenschaftsressorts hat sich die Vorwürfe im Detail angesehen.

Stuttgart - Knapp 40 Seiten der Dissertation des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) hat der anonyme Plagiatsjäger im „Lammertplag“ untersucht und nach eigener Einschätzung „genug problematische Belegstellen“ gefunden, „die eine umfassende offizielle Untersuchung der Arbeit rechtfertigen“. Lammert hat die Universität seiner Geburtsstadt Bochum bereits gebeten, diese Vorwürfe zu prüfen. Er hatte dort am Beispiel eines CDU-Kreisverbands untersucht, wie sich in einer Partei ein politischer Wille ausbildet, und ist mit dieser Untersuchung 1975 als Sozialwissenschaftler promoviert worden. Im selben Jahr wurde er in den Bochumer Stadtrat gewählt und begann seine politische Laufbahn.

 

Der Plagiatsjäger, der sich das Pseudonym Robert Schmidt gegeben hat und auf einer Internetseite behauptet, derselbe zu sein, der die Plagiate in der Dissertation der früheren Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) veröffentlicht hat, hebt neun Fundstellen in Lammerts Doktorarbeit hervor. Fünf davon wertet er als Bauernopfer, die anderen vier als Verschleierung. Unter einem Bauernopfer versteht man ein längeres Zitat, dessen Autor zwar zitiert wird – aber in einer Art und Weise, die nicht erkennen lässt, was genau und vor allem wie viel vom Autor übernommen wird.

Ein solches Bauernopfer macht der Plagiatsjäger zum Beispiel gleich auf den Seiten 3 und 4 der Arbeit aus. Wenn die Angaben stimmen, stützt sich Lammert dort auf eine 1973 veröffentlichte Dissertation von Hans-Otto Mühleisen. Er formuliert die zitierte Passage zwar um, aber ihr Ursprung bleibt erkennbar. Mühleisen hält zum Beispiel fest, dass die Parteienforschung in Deutschland lange „nach dem Ort der politischen Parteien in oder zwischen Staat und Gesellschaft“ gefragt habe. In Lammerts Arbeit steht, dass die deutsche Parteienforschung „vor allem an der Frage des Standortes der Parteien innerhalb der politischen Ordnung interessiert“ sei. Mühleisen wird an dieser Stelle zwar nicht zitiert, wurde aber zwei Seiten zuvor erwähnt. Der Vorwurf lautet also: die Quelle wird angegeben, aber es ist unklar, was aus ihr stammt und was als eigene Leistung gelten darf.

Beweisen gleichartige Fehler, dass man abgeschrieben hat?

Doch den Plagiatsjäger scheint etwas anderes mehr zu stören: „Insgesamt gibt der Verfasser vor, eine Literaturrezeption geleistet zu haben, die er in diesem Umfang nicht selbst erbracht hat“, kritisiert er auf seinem Internetportal Lammertplag. Als Beleg führt er Fußnoten an, die Lammert aus anderen Büchern abgeschrieben zu haben scheint, weil er einige Fehler wie falsch geschriebene Namen übernimmt. Auf Seite 25 greift Lammert zum Beispiel den Begriff des „Klientel-geprägten Systems“ auf, der die Parteien charakterisieren soll und den er dem US-amerikanischen Politologen Samuel Eldersveld zuschreibt. So habe es auch Mühleisen geschrieben, kritisiert der Plagiatsjäger, doch bei Eldersveld stehe „clientele-oriented structure“. Angesichts solcher Fehler, schreibt der Plagiatsjäger weiter, „stellt sich die Frage, ob dem Verfasser Eldersveld überhaupt vorliegt“.

Im Fall von Annette Schavan hatte ein Gutachter der Universität Düsseldorf laut Medienberichten Passagen auf 60 Seiten der Dissertation beanstandet. Die Hochschule hatte ihr deshalb im Februar den Doktorgrad entzogen; Schavan hat angekündigt, gerichtlich dagegen vorzugehen. Bei dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte eine Gruppe Plagiatsjäger im Internet Fundstellen auf fast allen Seiten der Dissertation beanstandet.