Der Dopingsünder Lance Armstrong kehrt für ein Benefizrennen am Donnerstag und Freitag zur Tour de France zurück. Viele im Radsport empfinden das als Provokation.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Die Beliebtheitswerte von Lance Armstrong, Radsportgott a.D., sind übersichtlich. Sie dürften irgendwo zwischen denen von Sepp Blatter unter Fußballfans und von Wolfgang Schäuble in Griechenland liegen. Das hat natürlich Gründe, der US-Amerikaner war so etwas wie der Don Corleone des Radsports, und daran hat auch sein (erzwungenes) Geständnis nichts geändert.

 

In Frankreich, wo er von 1999 bis 2005 siebenmal die Tour de France gewann, wovon sich wegen Dopings nichts mehr in den Büchern findet, ist er eine Persona non grata (aber natürlich nicht nur dort). Lance Armstrong gilt außerhalb der USA – wo es sehr viel weniger Berührungsängste mit ihm gibt – als Darth Vader auf Rädern und als Symbol des perversen Dopings im Hochleistungssport. Wenn Armstrong nun also an diesem Donnerstag und Freitag im Rahmen eines Benefizrennens ausgerechnet wieder in der Nähe seines Tatorts Tour auftaucht, dann halten es die meisten mit Brian Cookson, dem Präsidenten des Radsport-Weltverbandes UCI: „Das ist völlig unangemessen und respektlos gegenüber der Tour, respektlos gegenüber den Fahrern und der Antidopinggemeinschaft.“

Spenden für die Leukämie-Forschung

Lance Armstrong ist mittlerweile 43 Jahre alt, im Januar 2013 gestand er systematisches Doping, nachdem die US-Antidopingagentur zuvor entsprechende Beweise vorgelegt hatte. Seitdem kostet ihn das alles verdammt viel Geld, abgesehen von diversen Prozessen aber war es eher ruhig um ihn. Bis jetzt. Er ist wieder da.

Armstrong nimmt an der Aktion „Before The Tour“ des früheren britischen Fußballers Geoff Thomas teil. Dabei fahren Thomas und einige Begleiter am Vortag die Etappen der Tour ab. Mit der Charity-Aktion sammeln sie Geld für die Leukämie-Forschung. Armstrong ist da einerseits der perfekte Werbeträger: bei ihm war 1996 Hodenkrebs diagnostiziert worden, seine Heilung und die Siegesserie bei der Tour machten ihn zum bekanntesten und mächtigsten Sportler der Welt. Heute gilt er aber andererseits als größter Betrüger der Sportgeschichte.

Viele im Radsport, die seinen Schatten loswerden wollen, empfinden seine Anwesenheit im Umfeld der Tour als Provokation. Er war diesem Mittel stets zugeneigt. Die „Frankfurter Rundschau“ nennt ihn einen „Agent Provocateur“, und der dreimalige Toursieger Greg LeMond, Armstrong in inniger Feindschaft verbunden, sagt: „Wenn er nur einen Funken Respekt hätte, würde er es nicht machen.“

Geoff Thomas verteidigt Armstrongs Teilnahme

Geoff Thomas hat mit diesen Reaktionen gerechnet, aber er war dennoch nach Austin geflogen, um Armstrong von einer Teilnahme zu überzeugen. Er mag ein großer Betrüger gewesen sein, aber seine Geschichte ist größer – so sieht der Brite das. „Seine Teilnahme wird jenen Mut machen, die ihn brauchen, um sich dieser mörderischen Herausforderung weiter zu stellen. Und sie wird uns dabei helfen, so viel Geld wie möglich für Blutkrebspatienten zu sammeln“, sagt Geoff Thomas. „Lance zahlt den Preis für das, was er getan hat, und sein Ruf ist befleckt – aber ich denke, er hat die Möglichkeit, in die Welt des Spendensammelns zurückzukehren, und das ist eine gute Sache.“ Seit Tourbeginn sind schon 600 000 Pfund (840 000 Euro) für die Stiftung „Cure Leukaemia“ zusammengekommen. Mit Armstrong soll das Ziel von einer Million Pfund erreicht werden.

Lance Armstrong ist eine widersprüchliche Figur. Er hat Gegner tyrannisiert und Kritiker fertiggemacht. Er hat nicht nur gedopt wie fast alle anderen seiner Generation, sondern er wollte seine Feinde mit all seiner Macht vernichten. Und da ist dieser andere Lance Armstrong, den Geoff Thomas eine Inspiration nennt. Thomas, geboren 1964, ist ein früherer Profifußballer. Er führte Crystal Palace als Kapitän im FA-Cup-Finale 1990 aufs Feld, er bestritt 195 Spiele für den Club, neunmal spielte er für England. Im Juni 2003, ein Jahr nach seinem Karriereende, wurde bei ihm Leukämie diagnostiziert. Drei Monate gaben ihm die Ärzte. Aber er kämpfte. Die Kraft für diesen Überlebenskampf, so sagt er, zog er auch aus Armstrongs Buch („Die Tour des Lebens“). „Nichts von alledem wäre ohne diesen Funken von Inspiration passiert, als ich am Tiefpunkt war“, sagt der 50-Jährige. Er überlebte, dank einer erfolgreichen Knochenmarktransplantation seiner Schwester. Thomas erholte sich und fuhr 2005 die Strecke der Tour mit dem Rad am Tag vorher. Damals sammelte er damit 150 000 Pfund für die Blutkrebsforschung.

Sticheleien gegen Froome

Armstrong hat seine Geschichte immer wie eine Monstranz vor sich hergetragen, und er hat davon massiv profitiert. Er wurde als „Cancer Jesus“ (Krebs-Jesus) inszeniert und verehrt. Er war für viele ein Heiland auf Rädern und eine Inspiration für unzählige schwerkranke Menschen. Durch kluge PR hat er hunderte Millionen Dollar Spenden eingesammelt. Dieses Wirken war lange ein mächtiger moralischer Schutzschild gegen alle Anwürfe, seine Anhänger verweisen bis heute darauf. Greg LeMond sagt indes: „Armstrong hat diese Menschen ausgenutzt und ihr Geld genommen.“

Vor seinem Abflug hat er nach der Galavorstellung von Chris Froome und dem Sky-Team am Dienstag via Twitter noch ein wenig gezündelt: „Zu stark, um sauber zu sein? Fragt nicht mich, ich habe keine Ahnung.“ Wenig später twitterte er, dass er niemanden des Dopings beschuldigen wolle. Er habe weder das Interesse noch die Glaubwürdigkeit, sich dazu zu äußern.