Beim Besuch im Pressehaus Stuttgart macht LBBW-Chef Rainer Neske klar: Die Landesbank muss agiler werden. Um die Digitalisierung voranzubringen, setzt er daher auch auf junge Mitarbeiter.

Stuttgart - Rainer Neske hat eine unglaubliche Energie. Wer mit dem Chef von Deutschlands größter Landesbank zu tun hat, spürt das sofort. Für seinen Job, den er vor acht Monaten übernommen hat, ist das von Vorteil, wenn nicht gar Voraussetzung. Der 52-Jährige muss die Bank zurück auf den Wachstumspfad führen und das in einer Zeit, in der die Bankbranche wie selten zuvor von technologischem Wandel erfasst wird. Nicht nur die Bankbranche, die gesamte Wirtschaft – was die Aufgabe für den Spitzenbanker umso schwieriger macht.

 

Mit Neske an der Spitze hat die LBBW einen Generationswechsel vollzogen. Das zeigt sich nicht zuletzt im Auftreten. Einstecktuch und Pfeife, Kennzeichen seines Vorgängers Hans-Jörg Vetter, sind seine Sache nicht. Dafür ist er nie ohne sein iPhone anzutreffen. Während Vetter, der das Steuer übernahm, als die Bank am Abgrund stand und sie sanierte, den Kontakt zu Journalisten eher mied, kommt Neske ins Pressehaus und stellt sich den Fragen der Redaktion Zukunft der LBBW. Und skizziert, wo er hin will: „Wir müssen agiler werden, schneller auf Veränderungen reagieren, hierarchieübergreifend führen.“ Und er ahnt: „Das wird auch zu Diskussionen führen.“

Der gebürtige Münsteraner frühstückt regelmäßig mit seinen Mitarbeitern

Der neue LBBW-Chef, ein gebürtiger Münsteraner, führt anders. Das zeigt sich beispielsweise, indem er alle paar Wochen 20 bis 30 Mitarbeitern die Chance einräumt, mit ihm zu frühstücken und sich auszutauschen. Der Andrang aus der Belegschaft ist so groß, dass ausgelost wird, wer dabei sein darf. Dieser unmittelbare Kontakt zu den Mitarbeitern gefällt nicht allen auf den obersten Führungsebenen, ist aus der Landesbank zu hören. „Bis die merken, wie der Hase läuft, weiß Neske schon Bescheid“, heißt es.

Für den LBBW-Chef ist der Austausch „enorm hilfreich“, sagt er. Er erlebe bei den Mitarbeitern ein starkes Engagement und einen großen Optimismus nach dem Motto: Wir können eine Menge bewegen. Was er in den Gesprächen mit den Mitarbeitern höre, sei ein Korrektiv zu dem, was er über komprimierte Vorstandsvorlagen erfahre, führt Neske aus und erklärt: Ein Vorstand erhalte meist ein viel abstrakteres Bild des Unternehmens. Das sei auch nötig, wenn es darum geht, über Großkredite oder Strategien zu entscheiden. Doch in den Excel-Tabellen oder Powerpoint-Präsentationen gingen „unfassbar viele Informationen“ verloren.

Die Bank muss sich verändern, muss als Organisation flexibler und schneller werden, so sein Credo, weil auch die Kunden sich verändern. Um bei der Digitalisierung schneller nach vorne zu kommen, hat Neske einen Thinktank – eine Denkfabrik – mit 20 jungen Mitarbeitern eingerichtet, deren Aufgabe es ist, über neue Entwicklungen für online-affine Kunden nachzudenken und neue Ideen zu entwickeln. „Bei der Digitalisierung müssen Sie unbedingt junge Leute einbeziehen, weil sie eine andere Lebenswirklichkeit haben.“ Bei allem Tatendrang weiß aber auch der Vorstandsvorsitzende: „Aus einer Bank lässt sich kein Start-up machen. Und das wollen wir auch gar nicht sein.“

„Ungeduld hat einen Namen: Neske“

Weil aber Google, Apple und Co. zum Angriff blasen und eine neue EU-Richtlinie ihnen schon bald ermöglichen wird, an Daten von Bankkunden zu kommen, sofern diese ihr Einverständnis erklären, drückt Neske aufs Tempo. Wie immer, wenn er etwas anstößt. „Ungeduld hat einen Namen: Neske“, heißt es bei der LBBW. Doch kampflos will der Bankchef, der von Haus aus Diplom-Informatiker ist, den amerikanischen Internetriesen das Feld nicht überlassen. Mit Kundendaten, so die Hoffnung der Branche, wird sich in Zukunft viel Geld verdienen lassen. Auch wenn Banken im Gegensatz zu Internetkonzernen unter scharfer Beobachtung von Verbraucherschützern und Bankenaufsicht stehen. Neske kündigt an, die IT-Investitionen auf „sehr hohem Niveau“ zu halten. „Wir müssen noch eine Menge tun“.

Neue Technologien treiben nicht nur die Landesbank um, sondern auch deren Kunden, die zu einem guten Teil aus der Automobilbranche kommen. Allein der Weg vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität wird die Branche und damit das Autoland Baden-Württemberg heftig durcheinanderrütteln. Die Autoindustrie investiert in neue Technologien, was mit Unsicherheit verbunden ist. Es sei Aufgabe der Landesbank, so Neske, „die Automobilindustrie im Land zu fördern und als Bank hin zu neuen Geschäftsmodellen zu begleiten.“ Die schwierige Frage sei, wie lang man als Bank auslaufende Technologien noch mitgehen könne.

Mit dem technologischen Wandel werden Arbeitsplätze verschwinden und neue entstehen. Noch ist nicht ausgemacht, was das unterm Strich für Baden-Württemberg mit seiner Abhängigkeit von der Automobilindustrie bedeutet. „Wir stehen am Anfang der Entwicklung“, sagt Neske und räumt ein, dass ihm die Geschwindigkeit des Strukturwandels „schon Sorgen macht“.

Der LBBW-Chef ist überzeugt, dass das Modell der Universalbank Zukunft hat

Den Mitarbeitern sagt er: „Wir haben ein vernünftiges Geschäftsmodell, und wir haben die Kapitalbasis, zu wachsen. Das werden wir allerdings sehr risikobewusst tun.“ Eine Kapitalquote von 15 Prozent „ist ein extrem starker Qualitätsmaßstab“. Der LBBW-Chef ist überzeugt, dass das Modell der Universalbank Zukunft hat.

In den nächsten Jahren werden voraussichtlich rund 1100 Mitarbeiter die Bank verlassen. Das Programm hat die Bank im vergangenen Frühjahr aufgesetzt. Viele Mitarbeiter haben die Verträge schon unterschrieben. Der Abbau erfolgt im Wesentlichen über Abfindungen, Vorruhestand und Altersteilzeit. Dafür habe die LBBW bereits mehr als 80 Millionen Euro zurückgestellt, dieses Jahr werden es zwischen 30 und 40 Millionen sein. Die BW-Bank sei mit ihrem Programm, was die Filialschließungen betreffe, weitgehend durch. Die größten Kostenblöcke in der Bank seien die Organisation, die IT und die Abwicklungseinheiten. „Radikales Schließen von Filialen bringt uns hier nicht weiter“, sagt Neske.

Doch auch in Zeiten des Umbruchs steht für den Topmanager fest: „Banker zu sein ist ein superinteressanter Job – auch wenn er in der öffentlichen Anerkennung weit unten angesiedelt ist.“