Die Fraktionschefs Reinhart (CDU) und Schwarz (Grüne) schlagen einen Schlussstrich für ein Sparprojekt vor, an dessen Umsetzung schon frühere Landesregierungen gescheitert sind.

Stuttgart - Angesichts der drängenden Aufgaben für die öffentliche Verwaltung will die grün-schwarze Koalition die seit Jahren bestehende Einsparvorgabe für die vier Regierungspräsidien im Land komplett streichen. „Ich habe vorgeschlagen, für das Abbauprogramm von 1480 Stellen der früheren schwarz-gelben Landesregierung eine Abschlussbilanz vorzunehmen und danach einen Schlussstrich ins Auge zu fassen“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart dieser Zeitung. Wenn die heimische Wirtschaft derart brumme wie zurzeit, müssten die Behörden in der Lage sein, die Anforderungen der Unternehmen etwa bei Genehmigungsverfahren zeitnah und rechtssicher erfüllen zu können, sagte Reinhart zur Begründung.

 

Auch der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz schlägt in diese Kerbe: „Das Stellenabbauprogramm war schon immer unrealistisch und die Regierungspräsidien haben stark darunter gelitten.“ Auch die Grünen-Fraktion spreche sich deshalb dafür aus, die Vorgabe komplett zu streichen. Notwendig sei vielmehr, die Fachverwaltungen zu stärken, denn diese bräuchten für Genehmigungsverfahren zur Sanierung von Infrastuktur eher mehr als weniger Personal.

Die Regierungsfraktionen wollen über den Vorschlag, den Reinhart in der vergangenen Woche in der grün-schwarzen Haushaltskommission gemacht hat, an diesem Dienstag beraten. Das sogenannte Stellenabbauprogramm war 2011 noch von der Regierung Mappus zunächst für eine Laufzeit von fünf Jahren beschlossen worden. Die Einsparungen entfielen zur Hälfte auf die Ministerien – mit Ausnahme von Polizei, Schulen und Hochschulen – und zur Hälfte auf die Regierungspräsidien. Grün-Rot hatte die Abbaupläne zwar fortgeführt, aber die Laufzeit bis 2020 verlängert, da sich die Umsetzung angesichts der Aufgabenflut in den Behörden als schwierig erwies. Grün-Schwarz schließlich setzte das Programm für 2017 einstweilen aus.

Vorschläge zum Aufgabenabbau

Reinhart und Schwarz wollen es nun komplett begraben und führen als Argument an, dass die Stellen eigentlich nicht verzichtbar seien. Bisher sei die Vorgabe jedenfalls nicht annähernd erfüllt worden: „Wenn sich die seit Jahren vorgesehenen rund 700 Stellenstreichungen bei den Regierungspräsidien, wovon noch 550 zu erfüllen sind, faktisch nicht realisieren lassen, sollte man realistischerweise auch beim Personal rechtssicher für die Zukunft planen können, statt ständig mit jahrelang mitgeschleppten, unerfüllten Stellenstreichungen zu agieren“, so der Chef der CDU-Landtagsfraktion. Dem Vernehmen nach beträgt der finanzielle Gegenwert rund 26 Millionen Euro jährlich. Im Stuttgarter Finanzministerium hieß es dazu auf Anfrage, über das weitere Vorgehen werde im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Doppeletat 2018/2019 entschieden. Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) ist aber offenbar mit der Streichung einverstanden.

Derzeit verfügen die vier Mittelbehörden in Freiburg, Tübingen, Karlsruhe und Stuttgart über rund 8200 Stellen. Das Aufgabenspektrum reicht von der Erstaufnahme von Flüchtlingen über die Schulaufsicht bis hin zur Genehmigung großer Infrastrukturprojekte – nach eigenen Angaben insgesamt rund 5000 verschiedene Aufgaben. Um die 700 Stellen abbauen zu können, hatten die Regierungspräsidien vor einigen Jahren der Landesregierung zahlreiche Vorschläge zur Arbeitsentlastung gemacht. Doch in den Ministerien ernteten sie wenig Resonanz.

Sprudelnde Steuerquellen

Nicht zuletzt führt Reinhart die aktuell gute Einnahmesituation für seinen Vorschlag ins Feld: Nicht nur das Land, auch die Kommunen könnten anhand der aktuellen Steuerschätzung mit einer guten Haushaltsperspektive rechnen. Für diese sagten die Steuerschätzer im laufenden Jahr Mehreinnahmen von 520 Millionen Euro voraus. 2018 soll das Plus 620 Millionen und 2019 sogar 770 Millionen betragen. Das Land kann bis 2019 mit 1,51 Milliarden Euro zusätzlich rechnen. Hinzu komme ein Sanierungsfonds für Schulen, Brücken und Straßen.

„Das Signal beim Doppelhaushalt 2018/2019 muss lauten: Es müssen kluge Investitionen in Mitarbeiter und Infrastruktur sowie zentrale Felder der Landespolitik wie Schulen, Sicherheit, Infrastruktur und Wagniskapital für Startups erfolgen, damit das Land auch in Zukunft Innovationsregion Nummer eins in Europa bleiben kann“, sagte Reinhart. Aber auch der Generationengerechtigkeit und Zukunftsvorsorge wolle man mehr Bedeutung beimessen, so der CDU-Fraktionschef. Reinhart schlägt deshalb vor, bei Neustellen des Landes den Beitrag für den Versorgungsfonds (derzeit 6000 Euro pro Jahr und Mitarbeiter) zu erhöhen.