Im siebten Regierungsjahr von Ministerpräsident Kretschmann zeigen sich die Südwest-Grünen ziemlich abgeklärt. Sticheleien gibt es nur vom grünen Nachwuchs, der vor Selbstzufriedenheit warnt.

Konstanz - Mit dem Versprechen für mehr bezahlbaren Wohnraum und einem entschiedenen Eintreten gegen Feinde der Demokratie wollen die Grünen in den Kommunalwahlkampf ziehen. Beim Landesparteitag am Samstag in Konstanz wurde zur Halbzeit der grün-schwarzen Landesregierung aber auch Kritik an den eigenen Regierungsmitgliedern laut. Die Grüne Jugend forderte die Spitzen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf, bis zur nächsten Landtagswahl 2021 eine Reihe von noch unbearbeiteten Themen anzupacken. Kretschmann selbst versprach, insbesondere mehr zur Entspannung des Mietwohnungsmarktes in Baden-Württemberg zu tun.

 

Gewaltige soziale Sprengkraft

Das Thema habe eine gewaltige soziale Sprengkraft in den Städten, sagte Kretschmann. „Wir haben es hier mit einem Marktversagen zu tun.“ Es beginne, etwas aus dem Ruder zu laufen. Das Thema müsse noch einmal größer gedacht werden. Der Staat müsse stärker eingreifen - auch mit seiner Förderpolitik. Die Grünen wollen mit Blick auf die Kommunalwahl im Frühjahr einen Leitantrag beschließen, in dem es um mehr bezahlbaren Wohnraum geht. Der Deutsche Mieterbund ging zuletzt davon aus, dass im Südwesten rund 150 000 Wohnungen fehlen.

Wohnungsbau ist in der grün-schwarzen Landesregierung bei Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) angesiedelt. Diese sagte: „Ich freue mich, dass sich unser Koalitionspartner in einigen Positionen nun auch zu dem bekennt, was ich als Wohnungsbauministerin schon seit längerem gefordert habe.“ Dazu gehöre etwa die Bereitschaft, einen mit Landesmittel bestückten Fonds einzurichten, mit dem die Kommunen im Wettbewerb mit finanzstarken Investoren beim Erwerb von Grundstücken unterstützt werden sollen.

Eingreifen gegen Feinde der Demokratie

Bei den Gemeinderatswahlen 2014 haben die Grünen im Südwesten 11,5 Prozent eingefahren - bei den Kreistagswahlen waren es 13,2 Prozent. Derzeit sitzen 1660 Vertreter der Grünen und von grün-alternativen Listen in den Gemeinräten und Kreistagen. Diese Zahl wollen die Grünen bei der im Mai 2019 anstehenden Kommunalwahl ausbauen.

Kretschmann forderte ein entschiedenes Eingreifen gegen Feinde der Demokratie. „Dass wir den Anfängen wehren, das ist unsere Aufgabe.“ Nötig seien sowohl ein starker Rechtsstaat mit einer gut aufgestellte Polizei als auch eine starke Bürgergesellschaft. „Wenn bei so einer Demonstration mehrere den Hitlergruß zeigen, dann muss die Polizei da rein und die da rausholen“, sagte er mit Blick auf Vorgänge bei Demonstrationen in Chemnitz. Die Menschen müssten das Gefühl haben, dass der Staat so ein Verhalten nicht zulasse.

Kretschmann nahm insbesondere Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) gegen Kritik der AfD in Schutz. AfD-Politiker hatten Aras wegen ihrer türkischen Wurzeln das Recht abgesprochen, sich zur Judenverfolgung in der Nazizeit zu äußern. Gerade weil Aras’ Vorfahren mit den Nazi-Verbrechen nichts zu tun hatten, sei es umso bemerkenswerter, dass Aras sich dem Thema widme, sagte Kretschmann.

Mehr Tatkraft von den Grünen gefordert

Die Landeschefin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, verlangte von ihrer Partei mehr Tatkraft in der zweiten Halbzeit der grün-schwarzen Landesregierung. Das ruhige Verwalten des Landes reiche nicht aus. So dürften die Grünen nicht einfach zusehen, wie die CDU mit Kultusministerin Susanne Eisenmann versuche, die unter Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule zurückzudrehen. Der Co-Landeschef der Nachwuchsorganisation, Marcel Roth, bemängelte, Baden-Württemberg schaffe es nicht, die eigenen Klimaziele für das Jahr 2020 zu erreichen. Die Grünen müssten „rein in den Konflikt“ mit der CDU, um den Klimaschutz voranzutreiben - etwa mit einer Nahverkehrsabgabe.

Diese Abgabe zur Förderung von Bussen und Bahnen hat aber wegen des Widerstandes beim schwarzen Koalitionspartner wenig Chancen. Roth mahnte mit Blick auf Kretschmanns Regierungsantritt 2011: „Der Reformeifer vom Anfang muss weitergehen.“ So fordert die Grüne Jugend nach wie vor eine Reform des Landtagswahlrechts, um mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Dafür traten auch mehrere Delegierte auf dem Landesparteitag ein. Aber die Regierungskoalition hat das Projekt beerdigt, weil die CDU-Landtagsfraktion dagegen war.