Der Landespresseball in der Liederhalle ist das letzte große Schaulaufen in der Landeshauptstadt. Mehr als 2200 Gäste, darunter viele Prominente, tanzen dabei immer bis in den frühen Morgen. Nur einer fehlte in diesem Jahr: Guido Wolf.

Stuttgart - Alles, was ich brauche, ist ein Wunder. Der große Hit der Band Mike & The Mechanics, „All I need is a Miracle“, ist am Freitagabend wahr geworden. Bevor Mike Rutherford und seine „Mechaniker“ als Stargäste auf die Bühne kamen, hatten es auf wundersame Weise abgehetzte Politiker und umtriebige Wirtschaftslenker rechtzeitig zum Landespresseball geschafft. „In“ ist, wer drin ist. Schließlich handelt es sich um das letzte große gesellschaftliche Schaulaufen in der Stadt: Auf Einladung der Verleger und der Journalisten im Land haben rund 2200 Gäste in der Liederhalle die 56. Auflage gefeiert.

 

Ganz ausverkauft war der Ball damit nicht: Die Tische waren gut besetzt, von den günstigeren Laufkarten hätte man allerdings rund 100 mehr verkaufen können. „Wir können auch keine Erklärung liefern“, sagte der Vorsitzende der Ballkommission, Jens B. Fink, der nach zwölf Jahren die Verantwortung abgab. Er rechne trotzdem damit, dass der Erlös aus Kartenverkauf, Tombola – Hauptpreis war ein BMW X 1 – und Spenden erneut bei 80 000 bis 90 000 Euro liege. Diese Summe kommt über die Pressestiftung in Not geratenen Kollegen zu Gute.

Vom Coctailkleid bis zum Hosenanzug

Abendgarderobe war Pflicht, allerdings interpretierten einige Damen diese dann doch sehr frei. Die Spannbreite reichte vom Cocktailkleid bis zum Hosenanzug. Spätestens beim Handstandakt des spärlich bekleideten „Palazzo“-Künstlers Sascha Bachmann (welch ein Bizeps!) zum „Opening“ waren zumindest die Herren froh über Oberhemd und Smokingjacke. Die Bestnote gab es übrigens für Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der mit seiner Frau Waltraud Ulshöfer – in jagdgrün – gekommen war.

Bei den Accessoires gäbe es bei vielen Gästen noch einiges zu verbessern, das erkannte nicht nur die „Lottofee“ Chris Fleischhauer. Im Juli hat er mit seinem Partner Steffen Schneider das Modeunternehmen „Gents Box“ gegründet: Sie liefern Fliege & Co als Komplettpaket aus dem Internet. Das könnte helfen.

Vor dem Ball zum Schönheitschirurgen

Das kann offenbar auch der Schönheitschirurg Christian Fitz, der in den vergangenen Tagen in seiner Klinik auf der Karlshöhe durchaus ein erhöhtes Kundenaufkommen festgestellt hat. Dieses habe vorwiegend „im kurzfristigen Bereich“ stattgefunden, erläuterte er, sprich Faltenbehandlung mit Botox. Die Brustvergrößerungen konzentrierten sich eher auf den Sommer, sagte Fitz – mit Blick aufs Dirndl-Dekolleté beim Volksfest.

Zurück zum Ball: Prominentester Tänzer war Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der zum vierten Mal Schirmherr war – er machte es spannend und erschien kurz vor knapp mit seiner bestens aufgelegten Gattin Gerlinde. Sie trug ein karmesinrotes Kleid – „nicht neu“. Die Robe des Abends gehörte Tülay Schmid, Ehefrau von Wirtschaftsminister Nils Schmid: ein Traum in weißem Tüll. „Einmal im Jahr kann man sich das leisten“, sagte sie. Sie hatte am Vortag Geburtstag: „Heute machen wir Party.“ Ihr Ehemann formulierte das Ziel des Abends etwas schwäbischer: „Ausschnaufen, anschauen, genießen.“

Das hatten sich etliche Minister von Reinhold Gall über Rainer Stickelberger und Andreas Stoch bis Franz Untersteller vorgenommen. „Das Schöne ist: Ich muss ja gar nicht“, sagte der Schauspieler Walter Sittler, der mit seiner Frau Sigrid Klausmann-Sittler tatsächlich gekommen war, um zu tanzen. CDU-Landeschef Thomas Strobl gab den Staatsmann: „Der Ball ist eine gute Gelegenheit, um mit vielen Menschen zu kommunizieren.“ Seine Frau Christine stellte klar: „Ich gehe doch nicht auf einen Ball, ohne zu tanzen.“ Das könne ihr Mann im Übrigen besser als sie.

Die Stargäste, also die Band um den Genesis-Mitbegründer Mike Rutherford, kam nicht bei allen Gästen gut an. „Ich hätte mir was Frischeres gewünscht“, mäkelte Verkehrsminister Winfried Hermann. Vielleicht sollte er dem Beispiel von Sandra Gräfin Bernadotte von der Insel Mainau folgen, die seit einigen Jahren den Ball beehrt; „Ich komme so lange wieder, bis Jon Bon Jovi auftritt.“

Guido Wolf bliebt dem Ball fern

Wer fehlte, war der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf – manch einer verstand das als Signal. „Politischer Streit prägt inzwischen wieder verstärkt die Szenerie im Land, viel mehr als noch im vergangenen Jahr. Kein Wunder: in vier Monaten ist Landtagswahl“, sagte Gabriele Renz in ihrer Begrüßungsrede – die Redakteurin vom „Südkurier“ ist Vorsitzende der Landespressekonferenz. Streit sei per se nichts Schlechtes, aber es seien auch manche Gefahren und Risiken gewachsen, merkte sie an. „Besonders das Flüchtlingsthema hat offensichtlich deutschlandweit Hetzer und Verhetzer angestachelt.“ Auch Journalisten sähen sich in Deutschland verstärkt Pöbeleien und Bedrohungen ausgesetzt.

Beim Landespresseball, so schloss sie in Anlehnung an Angela Merkel, habe die Aufregung eher mit dem Tanzpartner oder der Tanzpartnerin zu tun. „Wir wollen lachen, wir wollen uns ein wenig amüsieren, wir werden schwitzen – glauben Sie mir: wir schaffen das!“ Bis zum Redaktionsschluss sah es jedenfalls ganz danach aus.