Beim 57. Landespresseball am Freitag in der Liederhalle haben wieder gut 2000 Gäste gefeiert, unter ihnen viel Polit-Prominenz. Modezar Harald Glööckler als Ehrengast „in vollem Ornat“ sorgte für einen drastischen Anstieg des Glamour-Faktors.

Stuttgart - „Eigentlich“, sagt Harald Glööckler, „eigentlich hab ich ja nicht so wahnsinnig viel Lust auf rote Teppiche oder auf Bälle. Das ist für mich verlorene Zeit.“ Insofern ist den Veranstaltern der 57. Auflage des Balls ein Coup gelungen. Sie haben den exzentrischen Modezar und TV-Star, der in Illingen im Enzkreis aufgewachsen ist, in die Liederhalle gelockt. Er habe so lange in Stuttgart gelebt, erzählte er, dass der Ball für ihn ein bisschen wie ein Klassentreffen sei: „Man fragt sich, wen man noch so alles kennt.“

 

Glööckler erschien „in vollem Ornat“. Kein Problem angesichts eines Ankleidezimmers mit geschätzten „15 Fracks, 20 Cuts und 50 Paar Abendschuhen, mit Schleifen, in Samt, Lack“. Er trug einen strassbesetzten Frack, eine schmale Hose und nietenbesetzte Schuhe. Sein Kommentar dazu: „Entweder man ist es oder nicht. So lange über mich geredet wird, ist alles gut.“ Die Authentizität sei Teil seines Erfolges, so der Selfmade-Man, der in Stuttgart mit einer kleinen Boutique begonnen hat und heute seine Produkte in 82 Länder weltweit verkauft. Nächstes Jahr feiert er mit seiner Marke Pompöös 30-Jahr-Jubiläum.

Zum Ball kam er in Begleitung von Rita Schmidt, einer Freundin seit Stuttgarter Tagen. Der „Herr Schroth“, wie Glööckler seinen Partner Dieter Schroth auch nach 29 Jahren Beziehung nennt, blieb zuhause in Kirchheim in der Pfalz. „Der ist in Rente und möchte nur noch in seiner Villa sitzen mit seinem Hund, in barocker Idylle.“

Etliche Lücken in der Ministerriege

Ob auch er das heimelige Stuttgart der Berliner Hektik vorzieht? Auf jeden Fall kommentierte der Schirmherr des Balls, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die Gerüchte, er könnte möglicherweise der nächste Bundespräsident werden, kurz und knapp: „Ich strebe dieses Amt nicht an – wie Sie ja wissen.“ Dafür brillierte er als oberster Eintänzer beim Eröffnungswalzer. An seiner Seite: Ehefrau Gerlinde, in nachtblauer Robe. Als Hausherr der Liederhalle machte auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit seine Frau Waltraud Ulshöfer gute Figur im Dreivierteltakt. Kretschmann musste nach dem Essen gehen: Er fuhr direkt zum Grünen-Parteitag nach Münster. Der sorgte für etliche Lücken in der Ministerriege, die quasi nur von Schwarzen repräsentiert wurde. Fraktionschef Andreas Schwarz nahm die Kollegen in Schutz: „Wir Grünen nehmen ja immer den Zug. Das dauert.“ Innenminister Thomas Strobl zählte seine Prioritäten auf: „Erst ein Walzer mit meiner Frau, dann ein kühles Bier an der Bar.“ Kultusministerin Susanne Eisenmann hatte sich am roten Teppich vorbeigemogelt. Dort glänzte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut in einer schmalen silbernen Robe: „So ein Flair erlebt man heutzutage selten.“

Der Ex-Boxer René Weller und seine Maria hatten dieselbe Problematik wie vermutlich etliche Ballgäste. Sie: „Er tanzt gut, wenn er will.“ Er: „Ich will aber selten.“ Rebekka Mir und ihr Mann Massimo Sinató (das Model hat den Profitänzer bei „Let’s dance“ kennen gelernt) zeigten, wie es geht: Sie eröffneten das Programm im Beethovensaal mit einem Mix aus Salsa und Tribal auf Shakiras Hit „Waka waka“. Ein wunderschönes Paar.

Wechsel beim Vorsitz der Ballkommission

„Geradezu harmonisch“ seien auch die Koaltionsverhandlungen von Grün und Schwarz im Frühjahr gewesen, sagte Barbara Schlegel, die Vorsitzende der Landespressekonferenz, bei der Begrüßung. „Trotzdem: Da mussten sich zwei politische Gegner zusammenraufen, mit unterschiedlicher Partei-Kultur und wenig Lust aufeinander.“ Geschadet habe es Kretschmann nicht.

Einen Wechsel gab es beim Vorsitz der Ballkommission: In diesem Jahr ist Simone Schüle erstmals die Cheforganisatorin. Viele Stuttgarter kennen sie noch unter einem anderen Namen, sie war früher mit dem SWR-Moderatoren Matthias Holtmann verheiratet. Sie hat „an einigen kleinen Stellschrauben“ gedreht, wie sie es nennt. So gab es im Mosaikfoyer erstmal Live-Kochstationen samt Sushi-Meister. Auch die Bierbar wurde mit wandhohen Schwarzwaldmotiven verschönt – samt Vesperbrett für den späten Hunger. Und für den Mozartsaal wurden diesmal gleich drei Kabarettisten verpflichtet.

Die Stargäste 2016 kommen aus Großbritannien und hatten ihre große Zeit Mitte der 70er bis 80er Jahre: Hot Chocolate hatten angekündigt, mit sechs Musikern die Bühne im Beethovensaal zu bespielen – drei von ihnen waren schon bei der Gründung der Band im Jahr 1969 dabei: Harvey Hinsley (Gitarre), Tony Connor (Drums) und Patrick Olive (Bass). Sie kennen Stuttgart besser als viele wissen: „Wir haben viele Shows für Porsche gemacht“, lassen die Briten wissen. Hot Chocolate gilt als einer der Begründer des Disco Sounds – die Band versprach, das Ballpublikum in Wallung zu bringen: „Wir spielen Musik, auf die die Leute es lieben zu tanzen, etwa „You Sexy Thing“. Nicht zu vergessen den Hit „So You Win Again“ aus dem Jahr 1977. Da geht’s zwar um die enttäuschte Liebe. Aber man könnte die Botschaft ja bei diesem Anlass auch politisch verstehen.