Ein 74-jähriger Mann und seine Frau sollen wegen Steuerhinterziehung hinter Gitter. Doch jetzt muss der Fall in Stuttgart neu verhandelt werden.

Stuttgart - Ein Ehepaar, einst Chefin und Chef einer Stuttgarter Spedition, soll ins Gefängnis. Das Landgericht hatte den gesundheitlich schwer angeschlagenen heute 74-Jährigen und dessen 66-jährige Ehefrau im April vergangenen Jahres zu Freiheitsstrafen verurteilt, weil die Angeklagten Steuern in Höhe von 1,8 Millionen Euro hinterzogen hatten. Das Paar hat Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Jetzt muss sich eine andere, nämlich die 16. Strafkammer, mit dem Fall befassen.

 

Teure Autos, Schmuck, Reisen, ein Leben in Saus und Braus – nichts davon trifft auf das Paar zu, das zum zweiten Mal auf der Anklagebank sitzt. Die Eheleute hatten vor gut drei Jahrzehnten eine Spedition gegründet, das Geschäft lief gut. Doch die Konkurrenz wurde härter, Mitbewerber gründeten Filialen im Ausland und lagerten Mitarbeiter dorthin aus. „Das wollten wir nicht“, sagt der heute 74-Jährige.

Der 74-Jährige bangte um sein „Lebenswerk“

Irgendwann im Jahr 2003 gerieten die Eheleute auf den falschen Pfad, um das Unternehmen, „mein Lebenswerk“, so der Mann, zu retten. Sie legten schwarze Kassen an, schleusten Firmengelder am Finanzamt vorbei, nahmen verdeckte Gewinnausschüttungen vor, ließen eine Mitarbeiterin schwarz arbeiten und verteilten sage und schreibe 1,5 Millionen Euro an Schmiergeldern, um an Aufträge zu kommen. Bis 2007 ging das so. Dann flog der Steuerschwindel auf.

Schon gleich zu Beginn des ersten Prozesses vor der 13. Wirtschaftsstrafkammer legten die Eheleute Geständnisse ab. Ihre damals verhängte Strafe: Der Mann wurde zu drei Jahren und zwei Monaten, seine Frau zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die hinterzogene Summe sei einfach zu hoch, um noch Bewährungsstrafen verhängen zu können, so der Vorsitzende Richter im April 2017.

Damit lag die 13. Kammer ganz auf der Linie des BGH. Der hatte 2012 konkretisiert, dass bei einer Steuerhinterziehung ab einer Million Euro in aller Regel keine Bewährung mehr möglich sein solle.

Just dieser BGH, genauer der 1. Strafsenat, hat den Fall jetzt ans Landgericht zurückverwiesen. Zwar sei die Steuerhinterziehung korrekt festgestellt worden und sei somit rechtskräftig. Allerdings hätte die Kammer die Hinterziehung der Einkommenssteuer in Höhe von 586 000 Euro im Vergleich zu den hinterzogenen Unternehmenssteuern für zu stark gewichtet.

Hoffnung auf ein „normales Rentnerleben“

Jetzt hoffen das Ehepaar und deren Verteidiger auf eine geringere Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Dem hat die Staatsanwalt in einem Vorgespräch bereits eine Absage erteilt. Und auch die Richterinnen und Richter seien skeptisch, so der Vorsitzende der 16. Strafkammer.

Die Steuerschuld der Angeklagten, die sich ins Rentnerdasein zurückgezogen haben, ist inzwischen vollständig zurückbezahlt. „Ich dachte damals, ich handelte zum Wohle der Firma. Das war eine fatale Fehleinschätzung“, sagt der 74-Jährige, der einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall hinter sich hat. Er übernehme die volle Verantwortung und wünsche sich ein „normales Rentnerleben“ mit seiner Frau. Die 66-Jährige betont unter Tränen, dass man sich nicht persönlich bereichert habe. Sie bereue, was sie getan habe und wolle sich nur noch um ihren kranken Mann kümmern.

Am Ende werden die Hoffnungen der Angeklagten enttäuscht. Der Mann wird mit drei Jahren, seine Gattin mit zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis bestraft.