Der Mann, der sich seinem Vergewaltigungsprozess durch Flucht entzogen hat, bleibt verschwunden. Die ihm vorgeworfenen Fälle sind merkwürdig.

Stuttgart - Sein Mandant sei kein Mann, der im Schlossgarten im Busch sitzt und Frauen von der Straße reißt, sagt Rechtsanwalt Daniel Wolff. Mehr will er zu den beiden mutmaßlichen Vergewaltigungen, die seinem Schützling vorgeworfen werden, nicht sagen. Es habe aber gute Gründe gegeben, den 38-Jährigen vor dem Prozess auf freien Fuß zu setzen.

 

Tatsache ist indes, dass der Mann aus dem Kreis Esslingen kurz vor seinem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart das Weite gesucht hat.

Dem Mann waren von der Haftrichterin mehrere Auflagen gemacht worden. Er musste eine Sicherheitsleistung, landläufig Kaution genannt, von 50 000 Euro hinterlegen. Er musste seinen Pass abgeben und zweimal pro Woche auf dem Polizeirevier Nürtingen vorstellig werden. Es heißt, der 38-Jährige habe eine erfolgreiche Firma und sei sozial eingebunden. Zudem sollen die zwei Taten, was den Schweregrad und die zu erwartende Strafe angeht, eher im unteren Bereich liegen. Also kam er nach sechs Wochen U-Haft auf freien Fuß.

Im ersten Fall soll er sich 2006 im Schlossgarten an einer Frau vergangen haben. Das Opfer, offenbar eine psychisch auffällige Frau, habe ihn angemacht, man habe Cola zusammen getrunken, er sei zudringlich geworden, sie habe sich gewehrt – er habe von ihr gelassen.

DNA deckt elf Jahre alten Fall auf

Im Oktober 2017 soll der 38-Jährige eine Frau in Fellbach nach Hause begleitet haben. Offenbar war vereinbart, dass er eine Rückenmassage bekomme. Es kam zum Sex. Seltsamerweise soll nicht die Frau den jetzt Flüchtigen angezeigt haben. Die DNA des Spermas des Mannes wurde in die Datenbank eingespeist. Sie passte zu Spuren auf der Coladose von 2006.

Nach dem Fellbacher Fall war der Mann in U-Haft gekommen, dann aber gegen 20 000 Euro Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. Dann tauchte der alte Schlossgartenfall auf. Der 38-Jährige kam erneut in Haft, wurde aber gegen die genannten Auflagen freigelassen – nicht zuletzt, weil beide Frauen kein Verfolgungsinteresse haben und Schmerzensgeld zugesagt bekommen hatten. Jetzt ist der Mann verschwunden.

„Das ist eine unglückliche Situation, auch für meine Mandantin. Sie hätte gern mit der Sache abgeschlossen“, sagt Anwältin Amely Schweizer, die die Fellbacherin vertritt. „Es ist gut und richtig, dass sich die Justiz den Einzelfall anschaut und beurteilt“, sagt Verteidiger Daniel Wolff. Bei Sexualdelikten gebe es viele Schattierungen. Nach dem 38-Jährigen wird gefahndet, die Kaution fällt der Staatskasse zu.