Von den 44 Kreisen in Baden-Württemberg hat Waldshut die wenigsten Corona-Fälle. Hat man dort nun Angst vor Urlaubern aus Stuttgart? Landrat Kistler antwortet im Interview.

Waldshut-Tiengen - Der Landkreis Waldshut gehört zu den am wenigsten von der Pandemie betroffene Landkreisen im Südwesten. Landrat Martin Kistler (FDP) schildert im Interview die Gründe für die niedrigen Zahlen in seinem Heimatkreis.

 

Herr Kistler, unter den 44 Kreisen in Baden-Württemberg melden Sie eine der geringsten Infektionszahlen. Wie ist die aktuelle Lage?

Auch bei uns ist die Tendenz beim Infektionsgeschehen steigend, aber wir liegen noch unter dem 35er-Grenzwert. Allgemein ist die Lage nicht so dramatisch wie anderswo. Doch wir sind uns bewusst, dass sich das jederzeit ändern kann. Am Freitag beispielsweise hatten wir acht Neuinfektionen, darunter war eine Lehrerin.

Woran liegt es, dass Ihr Kreis so gut dasteht wie sonst nur Landstriche in Mecklenburg-Vorpommern?

Ich vermute, das ist schlichtweg Glück und Zufall geschuldet. Bei uns gab es bisher keine Ereignisse, die zu größeren Infektionsausbrüchen wie anderswo führten, toi-toi-toi. Und wir sind ein dünn besiedelter Landkreis, ohne Ballungszentren, in denen die Inzidenzen bekanntlich höher liegen. Ich stelle bei unseren Bürgern und Bürgerinnen auch ein hohes Maß an Disziplin fest, die Leute tragen die Masken in den Geschäften, sie achten auf die Abstandsgebote und Hygieneregeln. Wir haben bisher kein diffuses Infektionsgeschehen. Im öffentlichen Nahverkehr haben wir stichprobenartig die Maskenpflicht in den Bussen kontrollieren lassen, es gab wenig Beanstandungen.

Ähnlich strukturierte Landkreise wie der Kreis Tuttlingen und der Schwarzwald-Baar-Kreis hat es viel stärker getroffen.

Ich möchte nicht für andere Landkreise sprechen, aber meines Wissens führten in beiden Fällen große private Feiern zu dem Ausbrüchen. Wir im Kreis Waldshut haben übrigens eine besondere Lage: unsere 148 Kilometer lange Grenze zur Schweiz, wo die Inzidenzen weitaus höher liegen. Es ist wichtig für uns, dass der kleine Grenzverkehr für Berufspendler, Familien und den Handel erhalten bleibt.

Andere Bundesländer haben gegen Urlauber aus Risikogebieten in Baden-Württemberg ein Beherbergungsverbot verhängt. Haben Sie auch Angst vor Stuttgartern oder Esslingern?

Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Zunächst halte ich es mit Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann, der sagte, was nicht notwendig sei, das solle man unterlassen. Auch Reisen. Gäste sind uns grundsätzlich willkommen, wenn sie die Corona-Schutzmaßnahmen einhalten. Wir haben hier im Südschwarzwald eine herrliche Landschaft und viele Wanderwege. Noch im Sommer hatten wir eine gemeinsame Werbekampagne mit den Kreisen Rems-Murr, Schwarzwald-Baar, Hohenlohe und Ravensburg – genannt Heimaterlebnis hoch Fünf - gestartet. Das gilt auch für die Zeit nach Corona.