Baden-Württemberg muss 2016 für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen 1,9 Milliarden Euro mehr ausgeben als bisher gedacht. Der Landtag hat daneben auch 30 Millionen mehr für den Antiterrorkampf im zweiten Nachtragshaushalt beschlossen.

Stuttgart - Neun neue Staatsanwälte für den Kampf gegen den Terror, sieben zusätzliche Verwaltungsrichter zur Beschleunigung asylgerichtlicher Verfahren, 36 Posten im Justizvollzug, um die Arbeitsbedingungen in den Gefängnissen des Landes zu verbessern, 17 Millionen Euro mehr für die Privatschulen, 22 Millionen mehr für den Straßenbau, zwölf Millionen Euro mehr für die Polizei, 600 zusätzliche Lehrerstellen für den Unterricht mit Flüchtlingskindern – das Land kennt momentan keinen Sparzwang. Und dennoch kann Baden-Württemberg auf die für 2015 einmal ins Auge gefasste Neuverschuldung von 768 Millionen Euro verzichten.

 

Das ist nun beschlossen; am Mittwoch hat der Landtag den zweiten Nachtragshaushalt für 2015 und 2016 verabschiedet; mehrheitlich mit den Stimmen von Grünen und SPD. An einigen Stellen ging freilich auch die Opposition mit, denn für die Betreuung der Flüchtlinge oder für die Verstärkung der Sicherheitsbehörden im Anti-Terror-Kampf mehr Geld zur Verfügung zu stellen sei nicht falsch, fanden auch Klaus Herrmann (CDU) und Hans-Ulrich Rülke (FDP), auf zusätzliche Schulden zu verzichten schon gar nicht. In den Beratungen des Finanzausschusses seien 39 Änderungsanträge behandelt, 22 davon angenommen worden, 16 sogar einstimmig, ließ Klaus Maier (SPD) wissen.

Der Dissens bleibt

Doch das ändert nichts am grundlegenden Dissens zwischen Regierung und Opposition über die grün-rote Finanzpolitik, die in der zu Ende gehenden Legislaturperiode viermal ohne neue Schulden auskam, worauf Muhterem Aras (Grüne) einmal mehr hinwies.

Zwar gab sich der Finanzminister Nils Schmid (SPD) kämpferisch: „Ich sage voller Zuversicht, wir werden auch 2017 und 2018 die Nullverschuldung anstreben.“ Doch ist das – für wen auch immer – ein ordentliches Stück Arbeit, denn die Zahlen sind eher ernüchternd. Schon im Jahr 2017 stehen den erwarteten Einnahmen um mehr als 2,5 Milliarden Euro höhere Ausgaben gegenüber. Das ändert sich abgesehen von gewissen Schwankungen nicht bis 2020.

Als „rechnerischen Posten“ hat die grün-rote Regierung in ihrem fortgeschriebenen Finanzplan für 2017 deswegen schon mal 280 Millionen Euro Kreditaufnahme vorgesehen. Ein Jahr darauf könnten es „rechnerisch“ noch einmal 20 Millionen sein. 2019 und 2020 sind in die entsprechende Zeile Tilgungen von 320 und 650 Millionen Euro eingetragen. Das führt freilich dazu, dass sich 2020 eine Deckungslücke von drei Milliarden Euro auftut. Wie die geschlossen werden könnte, ist vollkommen unklar. Und sie wäre noch größer, wenn nicht 400 Millionen Euro als Zufluss eingebucht wären, als „Mehreinnahmen aufgrund Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene“ respektive „aufgrund veränderter Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und dem Bund.“ So einen Posten gab es in der ablaufenden Legislaturperiode schon einmal. Erfüllt hat er sich allerdings nicht, jedenfalls nicht wie dereinst einmal geplant.

Hoffen auf den Bund

Der Silberstreif am Horizont der Koalitionäre ist die Einigung der 16 Ministerpräsidenten auf eine Reform des Länderfinanzausgleiches. Sie wird denn auch von Grünen und Sozialdemokraten als historisch gefeiert: „Kretschmann wird Geschichte schreiben“, sagt Aras; dabei hätten „Generationen von CDU-Ministerpräsidenten nichts erreicht.“ Die Reform würde den Landeshaushalt von 2020 an um fast eine Milliarde Euro entlasten, wie Grün-Rot ausgerechnet hat. Wenn sie denn überhaupt so kommt. Die Zeche geht schließlich zu Lasten des Bundes, der von dieser Rollenverteilung nicht begeistert ist – worauf die Opposition hinwies.

Man kann freilich auch sparsam haushalten. Aus Etatüberschüssen der Vorjahre konnten 2015 und 2016 insgesamt fast 4,7 Milliarden Euro ausgegeben werden. Für eine 500 Millionen Euro schwere Rücklage für nicht Vorhergesehenes hat es da im Nachtrag auch noch gereicht.

Flüchtlingspolitik dominiert

Die Ausgaben in 2016 sollen um satte 2,2 Milliarden Euro höher sein als zunächst geplant; allein 1,9 Milliarden Euro gehen auf die Flüchtlingsthematik zurück. Darin sind die Kosten für zusätzliche Verwaltungsrichter ebenso enthalten wie die für weitere Lehrer oder die Erstattungen an die Kommunen.

Das Land hat bis 2020 einen Flüchtlingszugang wie im Jahr 2015 unterstellt. Das bedeutet auch künftig jährlich zwei Milliarden Euro Kosten, wovon immer mehr am Land hängen bleibt, da die Zuwendungen des Bundes sinken – von 400 Millionen Euro 2016 auf 46 Millionen Euro 2020.