Eklat im Landtagspräsidium: Nach rassistischen Angriffen auf Landtagspräsidentin Muhterem Aras gerät die AfD-Fraktion unter Druck.

Stuttgart - Der Blick entschlossen, die Stimme trotzig: „Die Grenze ist überschritten“, raunzte der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl nach der Sitzung des Landtagspräsidiums am Dienstagabend. Die AfD sei stramm auf dem Weg nach rechts und suche den Schulterschluss mit den Rechtsextremen. „Wir müssen uns auf die wehrhafte Demokratie besinnen.“

 

Es war viel zusammengekommen über den Sommer, über das es im Parlamentspräsidium zu sprechen galt. Die Sitzung geriet zu einem Scherbengericht über die AfD. Da waren zum einen die Beleidigungen, die der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple seinen Parlamentskollegen hatte angedeihen lassen. Der 37-Jährige aus dem Wahlkreis Kehl ließ sich über die „Koksnasen der SPD“ und die „Antifa-Kiffer von den Grünen“ aus. Er wollte auch einen „ziemlich faulen Haufen floskelschwingender Parlamentsfüllmasse“ erkennen. „Volksverräter“ allesamt.

Zum zweiten überzog AfD-Fraktionsvize Emil Sänze die Parlamentspräsidentin Muhterem Aras mit rassistischen Vorwürfen. Die Grünen-Politikerin hatte auf einer zweitägigen Reise einige NS-Gedenkstätten besucht, unter anderem das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass. Bei dieser Gelegenheit kritisierte sie den AfD-Spitzenpolitiker Alexander Gauland, der Hitler und die Nationalsozialisten als „Vogelschiss“ in einer ansonsten doch famosen tausendjährigen Geschichte bezeichnet hatte.

Rülke geißelt Blut-und-Boden-Rhetorik

Der AfD-Mann Rüdiger Klos, auch er stellvertretender Fraktionschef, warf der Parlamentspräsidentin daraufhin vor, den Holocaust für ihre „parteipolitischen Machenschaften zu instrumentalisieren“. Sänze legte noch einen Scheit mehr ins Feuer. Aras könne als Migrantin gar nicht für die Deutschen reden. Sie benutze zwar „das ‚Wir’ als wäre sie hier voll integriert, sie wird aber nie integriert sein qua Herkunft“.

Eine Äußerung, die diesseits der AfD parteiübergreifend auf Empörung stieß. „Das ist ‚Blut und Boden’“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Diese Sprache sei seit 1945 nicht mehr zu hören gewesen, und es sei eine Schande, dass sich AfD-Fraktionschef Bernd Gögel nicht davon distanziere. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Reinhold Gall fügte hinzu, selbst von den unflätigen Bemerkungen des AfD-Abgeordneten Räpple habe Gögel nur „halbherzig“ Abstand genommen. Dazu passe, dass Gögel beispielsweise auch gemeinsame Veranstaltungen von AfD-Abgeordneten mit dem „Antisemiten Gedeon“ dulde. Wolfgang Gedeon war unter dem Druck von Antisemitismus-Vorwürfen aus der Fraktion ausgetreten, ist aber nach wie vor in der Partei. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte: „Man braucht keinen deutschen Stammbaum, um an den Holocaust zu erinnern.“ Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz fand kein Verständnis dafür, „dass AfD-Abgeordnete aus dem Landtag bei Demonstrationen mitlaufen, bei denen der Hitlergruß gezeigt wird“. So geschehen in Chemnitz. Dort waren Räpple sowie auch dessen Kollege Hans Peter Stauch dabei. In Köthen (Sachsen-Anhalt) wurden neben Räpple auch Christina Baum sowie Thomas Palka gesichtet.

AfD und Rechtsextreme Seite an Seite

Nach Angaben des sachsen-anhaltinischen Innenministers Holger Stahlknecht (CDU) hatten sich in Köthen die zahlreichen AfD-Vertreter vor Ort nicht von den Rechtsextremisten abgegrenzt. Es sei der Eindruck entstanden: „Die machen gemeinsame Sache.“ An diesem Mittwoch beschäftigt sich das Parlamentarische Kontrollgremium mit der Rolle der AfD-Abgeordneten bei den Demonstrationen.

AfD-Fraktionschef Gögel warf nach der Präsidiumssitzung den von ihm so deklarierten „Altparteien“ vor, sie veranstalteten ein Tribunal gegen die AfD. Er monierte, dass die von seiner Fraktion in der Sommerpause beantragte Sondersitzung zur Amtsführung der Parlamentspräsidentin verweigert wurde. Ein AfD-Antrag, die Landtagspräsidentin zu rügen, wurde abgelehnt. Aras verwahrte sich gegen den Vorwurf, nicht neutral zu agieren. Allerdings sei sie in ihrem Amt auch Repräsentantin des Landes und seiner Verfassung. „Dazu gehört, die Werte zu schützen, die in der Verfassung stehen.“

Sehen Sie im Video ein Kommentar unseres Reporters zu den Ereignissen in Chemnitz: