Dass die Stadt Stuttgart auf der Filderebene Pachtverträge mit auswärtigen Bauern kündigen will, sät Unfrieden unter Kollegen. Die betroffenen Landwirte sehen den schwarzen Peter zu Unrecht bei sich.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Die Ziegen linsen neugierig durchs Gatter, am anderen Ende der Weide grast ein Esel, es gibt Pferde, ein paar Zwerghühner – und jede Menge Kühe im Stall. Willkommen auf dem Lerchenhof zwischen Kemnat und Heumaden. Über dem Bauernhof-Idyll hängen seit Kurzem dunkle Wolken. Helmut und Daniel Maier machen sich große Sorgen darüber, wie alles werden soll. Der Grund: Es könnte sein, dass sie knapp sechs Hektar landwirtschaftlicher Fläche abgeben müssen. Das entspricht größenmäßig in etwa acht Fußballfeldern. Aber von vorne.

 

Mitte Dezember 2018 haben die Mitglieder des gemeinderätlichen Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen der Stadt Stuttgart beschossen, dass die Verwaltung Pachtverhältnisse mit sogenannten auswärtigen Bauern auf der Filderebene kündigen darf, um die Äcker und Wiesen hernach an Stuttgarter Landwirte zu verteilen. Anlass ist zweierlei: erstens der forschreitende Flächenfraß auf der Filderebene. Allein das Projekt Stuttgart 21 schluckt 40 Hektar landwirtschaftliche Fläche – das meiste davon auf Plieninger Gemarkung. Zweitens verweist die Stadt Stuttgart auf Nachbarkommunen wie Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen, die bereits Bauern aus der eigenen Stadt bevorzugen würden.

Viel Zündstoff steckt in dem Vorhaben der Stadt Stuttgart

Das Vorgehen Stuttgarts birgt allerdings einiges an Zündstoff. Bereits auf dem Birkacher Feld wird um Flächen gestritten. Dort bewirtschaftet ein Landwirt mit Hof in Plattenhardt Flächen, die er nun unter Umständen abgeben muss. Er beruft sich allerdings auf die Hofstelle seiner Schwiegereltern in Birkach. Die Plieninger Landwirte, die nach dem fortschreitenden Verlust von Fläche dringend Alternativen brauchen, wollen dies nicht gelten lassen. Sie pochen auf die Grundstücke. Der Verteilungskampf ist also in vollem Gange.

Das ist auch Helmut Maier, dem Landwirt vom Lerchenhof, nicht verborgen geblieben. Und er sieht sich als Bauernopfer der nun angestrebten Regelung der Stadt Stuttgart. „Wir werden in Sippenhaft genommen“, sagt er. Auf dem Papier gilt er als Ostfilderner Landwirt, doch seine Frau stamme aus Riedenberg, die landwirtschaftlichen Flächen, die nun auf dem Spiel stünden, habe er von seinem Schwiegervater übernommen. Seit gut vier Jahrzehnten nutzt er sie für den Anbau von Gemüse und Getreide, aber auch als Futterquelle für seine Kühe. Insgesamt bewirtschaften die Maiers 43 Hektar mehr oder weniger rund um ihren Aussiedlerhof an der Kemnater Straße.

Muss er jetzt ein Turbobetrieb werden?

Der Senior Helmut Maier hält mittlerweile nur noch 30 Prozent an dem Hof, sein Sohn Daniel hat das Ruder übernommen. Vereint sind beide in der Frage, wie sie die Zukunft stemmen sollen, wenn ihre Anbaufläche schrumpft. Sie leben vor allem von der Milch der Kühe.

Doch wenn die Futterfläche schrumpft, müssen sie umdisponieren. „Wir müssten dann wahrscheinlich ein Turbobetrieb werden“, sagt Helmut Maier. Heißt: Die Kühe müssten zwangsläufig mehr Milch produzieren, zu fressen bekämen sie wohl oder übel Kraftfutter. „Das ist eigentlich nicht unser Ding vom Denken her“, sagt Helmut Maier. Sie seien zwar kein Biohof, aber naturnah. Die Tiere so auszuquetschen, entspreche nicht ihrer Philosophie. „Das ist für uns desaströs und erschüttert den Betrieb im Fundament“, sagt der Senior. „Man muss sich schwer überlegen, ob man den Betrieb so halten kann“, sagt sein Sohn Daniel Maier.

Klaus Wais (l.) bei einem Besuch von OB Fritz Kuhn 2017 Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Was die Maiers zusätzlich umtreibt, ist der Unfrieden, der durch den Beschluss in Stuttgart unter Kollegen gesät werde. Denn letztlich wird es für die Maiers darauf ankommen, ob der Riedenberger Bauer Klaus Wais die Hand für die Flächen hebt. Nach Auskunft des Referats von Bürgermeister Michael Föll liegt der Ball nämlich bei den Obleuten in den Filderbezirken; sie müssen darlegen, ob sie die Pachtflächen brauchen. „Wir haben ein gutes Verhältnis zur Familie Wais“, sagt Maier. Sie seien gar freundschaftlich verbunden. Und nun soll der eine den anderen ausstechen.

Der Riedenberger Bauer ist unglücklich über die Situation

Klaus Wais, der einen Demeter-Hof an der Eichenparkstraße in Riedenberg betreibt, ist Obmann in Sillenbuch und der einzige Landwirt im Bezirk. Auch er wirkt höchst unglücklich mit der Situation. Er habe seit Ende der 1980er Jahre rund zwölf Hektar wegen Bauprojekten verloren. Und es geht weiter, Beispiel Schwellenäcker: Auf dem Areal an der Kirchheimer Straße könnten Wohnungen gebaut werden, dann sind die 1,7 Hektar für ihn futsch. Aktuell bewirtschaftet er 38 Hektar. Wird er also Bedarf bei der Stadt anmelden und seinen Kollegen Maier damit in die Bredouille bringen? „Das ist eine schwierige Frage“, sagt er. Wais findet es nicht gerecht, dass die Stadt den Landwirten den schwarzen Peter zuschiebt. „Aus meiner Sicht wäre es Aufgabe der Stadt, das zu regeln“, sagt er. Er sagt, er wolle zunächst das Gespräch mit den Maiers suchen.

Der Stuttgarter Bauernverband verfolgt die Entwicklungen auf den Fildern. Der Vorsitzende, Klaus Brodbeck, Bauer in Möhringen, bewertet aber nicht. „Der Bauernverband hält sich grundsätzlich aus solchen Angelegenheiten raus.“ Dass die Konkurrenz unter sonst kollegial verbundenen Bauern derart angefacht werde, beobachtet Brodbeck aber mit Sorge. Er plädiert dafür, dass sich die Bauern und die Stadt bald an einen Tisch setzen.