Der Agrarminister befürchtet wegen der Ukraine-Krise steigende Preise. Bauern sollen Brachflächen bewirtschaften, man müsse autark werden.

Die Ernährungssicherheit werde in der EU-Landwirtschaftspolitik künftig wegen des Ausfalls des zentralen Getreideproduzenten, der Ukraine, eine größere Rolle spielen, sagte Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) in Stuttgart. Deutschland müsse da nachziehen. Hauk sprach anlässlich der Frühjahrskonferenz der Agrarminister.

 

Der Minister, der auch für Verbraucherschutz zuständig ist, erwartet steigende Nahrungsmittelpreise, da sich die Preise der Landwirte für Betriebsstoffe um 30 Prozent erhöht, die für Düngemittel gar verdoppelt hätten. „Man wird sein Budget verstärkt auf das Thema Lebenshaltungskosten verlagern müssen und weniger auf technischen Konsum“, sagte Hauk. Das schließe Internet und Handy ein und könne im Einzelfall auch die Urlaubsplanung treffen. „Wir sind durch Corona daran gewöhnt, dass die Urlaubszeiten etwas sparsamer ausgefallen sind“, so Hauk. „Das können wir im Zweifelsfall aus finanziellen Gründen ein Stück weit fortsetzen.“

Hamsterkäufe sind nicht nötig

Hamsterkäufe aber seien nicht angebracht. Es drohe allenfalls eine Knappheit bei Sonnenblumenöl, dass könne man aber durch Raps- oder Olivenöl ersetzen. Im Übrigen könnte man auch Sonnenblumen im Südbadischen anbauen. Dass die Ukraine da Marktführer sei, liege an den günstigen Erzeugerkosten dort. Die globale Verknappung von Getreide werde vor allem für Nordafrika ein Problem, so beziehe Tunesien 50 Prozent seiner Weizenimporte aus der Ukraine, in Ägypten seien es 30 Prozent.

„Wir haben in der EU einen Selbstversorgungsgrad bei Brotgetreide, also Weizen, von 109 Prozent, in Deutschland sind es 114 und in Baden-Württemberg 103 Prozent.“ Wenn mal Regale mit Mehl in den Supermärkten leer seien, liege das an logistischen Problemen. „Die Mühlen mahlen, aber oft fehlen die Fahrer zum Abtransport des Mehls – die sind auch oft aus der Ukraine.“

Ziel: Mehr Selbstversorgung

Allgemein plädierte der Minister für eine Landwirtschaft, die „in Richtung Autarkie führt“. So liege der Selbstversorgungsgrad in der Schweineproduktion bei nur 49 Prozent, bei Milch bei 56 Prozent im Südwesten. Baden-Württemberg sei wegen seiner kleinteiligen Struktur der Landwirtschaft, in der Kreislaufwirtschaft schon praktiziert werde, gut dafür aufgestellt, die Ziele des „Green Deal“ einzuhalten. Dazu gehörten ökologische Ziele, aber auch die Steigerung der Produktion und der Effizienz. Eine Aufweichung der gemeinsamen Agrarpolitik, wie die FDP sie wünsche, komme nicht infrage.

Es sei zu begrüßen, so Hauk, dass die EU den Landwirten europaweit eine Krisenbeihilfe von 500 Millionen Euro gewähre, davon entfielen 60 Millionen auf Deutschland, der Bund werde 120 Millionen dazu bewilligen. Den Bund forderte Hauk auf, die von der EU geplante Nutzung von ökologischen Vorrangflächen für die Futtermittelproduktion auch umzusetzen. Im Übrigen müsse in der jetzigen Ausnahmesituation geprüft werden, ob die von 2023 vorgesehene Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche – die Vier-Prozent-Brache-Regelung – nicht ausgesetzt werden könnte. „Wir müssen alle Reserven mobilisieren“, sagte Hauk. „Wir können uns den Weizen auch künftig noch leisten, die Afrikaner aber nicht.“

Der FDP-Landtagsabgeordnete Georg Heitlinger kritisierte Hauks Aussagen als „Verzichtsdebatte“ und „Effekthascherei“. „Erst ruft er die Menschen dazu auf, bei 15 Grad zu Hause im Pullover zu sitzen. Jetzt sollen sie auf Urlaub, Handy und Internet verzichten, um sich noch Lebensmittel leisten zu können.“ Die Landesregierung müsse ihr Ziel, den Ökolandbaus auf 30 bis 40 Prozent bis 2030 auszubauen, neu bewerten: „Wir müssen wertvolle Ackerflächen vorrangig für die Produktion von Nahrung nutzen.“