Ein milder Winter, ein trockener Frühling und ein heißer Sommer: Der Klimawandel hinterlässt auch in der Landwirtschaft Spuren. Bei der Ernte sind die Landwirte in diesem Jahr mit einem blauen Auge davon gekommen.

Stuttgart - Noch ist die diesjährige Ernte nicht ganz eingefahren – doch der Landesbauernverband Baden-Württemberg (LBV) ist bereits überzeugt, dass es nur eine Durchschnittsernte wird. LBV-Präsident Joachim Rukwied zeigte sich am Montag bei der Pressekonferenz in Bad Cannstatt gleichwohl zufrieden mit den bisherigen Erträgen im Land. „Der fehlende Regen im Frühjahr hat den Getreide- und Rapsbeständen regional weniger geschadet als zunächst befürchtet.“

 

Aber auch wenn die Einträge zufriedenstellend waren – von Euphorie ist noch nichts zu spüren. Insbesondere die Witterungsbedingungen hatten die Landwirte auf die Probe gestellt. Dabei bereitete dem Verband die lang anhaltende Trockenheit im Frühjahr und Sommer große Sorgen, außerdem der Frost im Mai. Auch wenn er für dieses Jahr Entwarnung geben könne, die Wetterextreme würden die Landwirtschaft auch in den kommenden Jahren auf Trab halten, ist sich Rukwied sicher: „Der Klimawandel hat sich manifestiert. Das ist Fakt.“

So beginnt beispielsweise auch die Ernte immer früher. Das weiß auch Landwirt Jens Bauer, auf dessen Obstanbau-Betrieb in Bad Cannstatt die Konferenz stattfand. Außerdem bedauert er: „Wir mussten in diesem Jahr teils täglich bewässern.“ Das sei nicht nur aufwendig, sondern gehe auch ins Geld.

Verluste im Norden

Während die Landwirte im Süden Baden-Württembergs dank der Alpen-Nähe mit etwas Niederschlag rechnen konnten, hatten die Bauern im Norden hohe Verluste zu verzeichnen. Von einem starken Süd-Nord-Gefälle und Ertragsverlusten beim Winterweizen von 50 bis 100 Dezitonnen spricht Präsident Rukwied. Langfristig müssten die Landwirte auf widerstandsfähigere Kulturen und neue Saatverfahren umstellen.

Auch die Corona-Pandemie hatte einigen Landwirten im Land einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kartoffel-Bauern, die sich auf die Pommes-Industrie spezialisiert hatten, mussten ihre Ernte aufgrund fehlender Feste und geschlossener Gastronomie als Tierfutter oder für die Biogasanlage verkaufen – und dabei Verluste in Kauf nehmen. Ebenfalls günstig verkauften Landwirte, die Braugerste angebaut hatten. Im Vergleich zu Deutschland und der EU stehe Baden-Württemberg in diesem Jahr noch gut da. „Die Preissituation ist aber alles andere als zufriedenstellend“, klagte Rukwied.

Auf Saisonarbeiter angewiesen

Erleichtert ist der Bauernpräsident über die Zusammenarbeit von Politik und Bauernverband während der Krise: „Dank der Sonderregelung konnten Saisonarbeiter einreisen“, erinnert er. Der LBV-Präsident blickt jedoch sorgenvoll auf die Entwicklung der Corona-Zahlen, denn auch im Herbst werden die Mitarbeiter gebraucht. „Wir sind auf ausländische Saisonarbeiter angewiesen“, sagt auch Jens Bauer. Und auch in Zukunft müssten Politik und Landwirte zusammenarbeiten. „Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg ist zwar derzeit gut aufgestellt, die Betriebe müssen jedoch unterstützt werden“, bekräftigt Rukwied. Das gelte auch für den Umwelt- und Tierschutz: „Wir wollen nachhaltiger werden. Dafür müssen wir rational und nicht ideologisch vorgehen.“