Es ist ein ziemlicher bürokratischer Aufwand, bis man eine Baugenehmigung bekommt – wohlgemerkt für einen Hühnerstall, der mobil ist. Eine kuriose Geschichte aus Stuttgart.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Da lachen ja die Hühner! Tatsächlich klingt es ein wenig wie eine Posse: Will man in Baden-Württemberg einen mobilen Hühnerstall aufstellen, braucht man eine Baugenehmigung. Doch freilich hat alles seine Ordnung und seinen Sinn und Zweck: Da ein Hühnermobil dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden, ist es eine bauliche Anlage, so will es die geltende Rechtslage.

 

Lukas Dreyer lacht indes nicht. Der Betriebsleiter des Reyerhofs, der mitten in Möhringen liegt, möchte gerne Hühner anschaffen und sie in solch einem Mobilstall auf einem Feld am Rand des Stadtteils halten. Also reichte er einen Bauantrag beim Baurechtsamt in Stuttgart ein. Dort habe man ihm jedoch zunächst gesagt, er habe damit keine Chancen, da das Land rund um Möhringen Landschaftsschutzgebiet ist.

Bei einem Landschaftsschutzgebiet schaue man genau hin

Was genau heißt das? Laut Kirsten Rickes, Leiterin des Baurechtsamts, handelt es sich bei den Flächen, auf denen eine mobiler Hühnerstall aufgestellt werden soll, meist um den sogenannten Außenbereich. In diesen fallen alle Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen. „Dort hat das Baurecht eigentlich keine Bebauung vorgesehen“, man sei deshalb auch „relativ restriktiv“, wobei landwirtschaftliche Vorhaben als privilegiert anzusehen seien. Gehe es zusätzlich noch um ein Landschaftsschutzgebiet, dann sei das ein Grund, noch genauer hinzuschauen. Das Urteil könne dann durchaus strikter ausfallen – aber man könne auch zu dem Schluss kommen, dass sich das Landschaftsschutzgebiet mit einem Hühnermobil vereinbaren lässt.

Das zeigt sich allein an dem Gebiet rund um Möhringen. An manchen Stellen des Landschaftsschutzgebietes sei es möglich, ein Hühnermobil aufzustellen, da dort in einem bestimmten Umfang landwirtschaftliche Gebäude entstehen dürfen, an anderen Stellen ist gar keine Bebauung zulässig. „Das kann sich von Grundstück zu Grundstück ändern, das kann man nicht so pauschal sagen“, so Rickes.

Man muss viel Zeit investieren, um an Eier aus einwandfreier Haltung zu kommen

Dreyer ist deshalb relativ guter Dinge, dass eine Lösung gefunden wird. Dennoch bedeutet all das für ihn, dass er jede Menge Formulare ausfüllen, Betriebsbeschreibungen einreichen, Korrespondenzen führen – und warten muss. Während in vielen anderen Bundesländern die Baugenehmigungspflicht für Hühnermobile weggefallen ist, wie etwa 2017 in Niedersachsen, muss Dreyer, der biologisch-dynamische Landwirtschaft betreibt, viel Zeit und Geld investieren, um an Eier aus einwandfreier Haltung zu kommen.

Denn dass diese Form der Haltung sowohl gut für das Tierwohl als auch vom Verbraucher gewünscht ist, daran besteht kein Zweifel. Der Minister für Ländlichen Raum, Peter Hauk, bewertet „die Haltung von Hühnern in Mobilställen im Hinblick auf das Tierwohl grundsätzlich positiv. Der tägliche Auslauf, der Kontakt mit Umweltreizen und die Möglichkeit, natürliche Verhaltensweisen ausleben zu können, tragen wesentlich zum Tierwohl bei“. Auch steige die Nachfrage nach Freilandeiern in den letzten Jahren kontinuierlich. 2016 kamen 27 Prozent der in Deutschland nachgefragten Eier aus Freilandhaltungen.

Landesregierung will prüfen, ob Vereinfachung möglich ist

Auf Anfrage erklärt der Pressesprecher Jürgen Wippel, das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sei im Gespräch mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, um zu prüfen, ob bestimmte verfahrensrechtliche Erleichterungen, vergleichbar mit den Regelungen in anderen Ländern, möglich sind: „Die Regierung beabsichtigt, im Rahmen der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung auch zu prüfen, ob und inwieweit eine verfahrensrechtliche Vereinfachung bei der Nutzung von Hühnermobilen möglich ist.“

Simon Sperling vom Hof Sperling in Mühlhausen würde diese bürokratische Erleichterung begrüßen. Seiner Meinung nach sollte das Aufstellen eines mobilen Hühnerstalls jedoch anzeigepflichtig sei: „Ich bin dagegen, dass jeder überall so einen Mobilstall einfach hinstellen kann – für den Fall von Seuchen etwa muss es eine Übersicht geben, wo solche Ställe stehen.“

Viele springen auf den Trend auf, ohne Ahnung zu haben

Sperling selbst hat die Baugenehmigung längst: Seit 2015 hat er zwei mobile Ställe auf einer Streuobstwiese stehen, in denen 1700 Hühner leben. Bei ihm, so erinnert er sich, sei das Ganze relativ unproblematisch abgelaufen. Gezahlt hat er rund 200 Euro für die Baugenehmigung. „Es richtet sich nach der Bausumme“. Für sein Hühnermobil zahlte er an Anschaffungskosten pro Platz für ein Huhn 100 Euro. „Das ist normal, das zahlt man auch für einen normalen Hühnerstall. Landwirtschaft ist kapitalintensiv“, sagt er.

Doch immerhin werden mobile Hühnerställe vom Land gefördert. Über das Agrarförderprogramm kann ein Landwirt zwischen 20 und 40 Prozent Förderung bekommen. In den Jahren 2014 bis 2016 wurden 54 Anträge zur Förderung des Kaufs von insgesamt 78 mobilen Geflügelställen bewilligt. „Das ist aber auch ein Problem“, sagt Sperling. Wegen der Fördergelder und der hohen Verbrauchernachfrage sprängen viele auf diesen Trend auf, die keine Ahnung von Hühnerhaltung und Eier-Vermarktung hätten. Es sei so, dass der Eiermarkt das vergangenen Dreivierteljahr – seit dem Fipronil-Skandal in Holland – sehr gut gewesen sei: „Man konnte da richtig Geld verdienen.“ Deshalb hätten nun alle aufgestockt. Aber: „Der Markt ist inzwischen brechend voll.“ Der Markt stehe unter Druck, er selbst stehe unter Druck – aber vor allem all die Neulinge ohne Erfahrung. „Ich weiß von einigen Betrieben, die haben jetzt eine Saison mit Hühnern hinter sich – aber das war auch ihre letzte. Ein Hühnermobil anzuschaffen, das muss man sich gut überlegen“, so Sperling. Sonst hätten weder die Hühner noch der Bauer was zu lachen.