An der Landwirtschaftlichen Schule herrscht Krisenstimmung, nachdem die Stadt den Umzug an die Industriestraße in Vaihingen erst einmal abgesagt hat. Der Branchenverband der Gartenbaubetriebe will Druck auf die Verwaltung ausüben.

Hohenheim - Es klingt eigentlich gar nicht so schlimm. Einige Schüler der Landwirtschaftlichen Schule bekämen ihren Unterricht in der Küche des Wohnheims an der Gartenbauschule, erzählt Karin Sailer von der Fachabteilung Berufsschulen. In der Fantasie sieht das doch recht gemütlich aus: Schüler, die sich jederzeit einen Kaffee kochen können, wenn sie bei der Wissensvermittlung die Müdigkeit überkommt.

 

Weniger angenehm ist, sich vorzustellen, wie ihre Mitschüler in einem Foliengewächshaus ohne Heizung in den vergangenen Monaten Praxisunterrichtbekommen haben. „Es gab ja Gott sei Dank keinen richtigen Winter in diesem Jahr“, sagt Sailer. Aber schon in wenigen Wochen könnten die Temperaturen um die 25 Grad liegen. „Dann wird es unter der Folie richtig heiß werden“, sagt sie. Ihre Hoffnung war, dass die Schüler, die in den vergangenen Monaten unter besagter Plastikfolie oder in der Küche unterrichtet wurden, an Ostern endlich von ihren jeweiligen Provisorien erlöst würden. Denn für Ostern war der Umzug in ein Bürogebäude an die Industriestraße in Vaihingen anberaumt.

Dann platzte kürzlich die Bombe: Die Stadt sagte den Umzug ab, weil das Gebäude in Vaihingen zunächst für den Brandschutz nachgerüstet werden muss. Die Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann zeigte sich skeptisch, dass die dazu notwendigen Bauarbeiten schnell über die Bühne gehen könnten. Eisenmann nannte einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten – wenn alles optimal verlaufe, sagte sie.

Bedenken wegen Brandschutz

Karin Sailer beschreibt die Stimmung an der Landwirtschaftlichen Schule nach der Absage der Stadt als irgendetwas zwischen Ratlosigkeit und Enttäuschung. Sie müsse den Schülern der Landwirtschaftlichen Schule nun erklären, dass die schwierigen Rahmenbedingungen für den Unterricht auf unabsehbare Zeit nicht enden werden. „Das ist für Schüler, Lehrer und alle anderen Betroffenen ein schwerer Schlag“, sagt Karin Sailer.

Bis auf Weiteres müssten sich Gartenbauschule und Landwirtschaftliche Schule also die Räume teilen. Da es mehr Klassen als Zimmer gebe, seien oft organisatorische Kunststücke nötig, berichtet sie. Neben dem Ausweichen in die Wohnheimküche, das Foliengewächshaus oder das Institut für Bienenkunde bliebe der Schule deshalb nur die Möglichkeit, den vorhandenen Raum in den Unterrichtsräumen so intensiv wie möglich zu nutzen. Karin Sailer benutzt das Verb „stapeln“, als sie beschreibt, wie die Schüler im Moment untergebracht werden.

Stadträtinnen sind Verbündete

Sailer setzt nun auf die Unterstützung der vier Gemeinderatsfraktionen Grüne, CDU, SPD und Freie Wähler, um der Verwaltung eine rasche Lösung abzutrotzen. Iris Ripsam (CDU), Gabriele Nuber-Schöllhammer (Bündnis 90/Die Grünen), Marita Gröger (SPD) und Rose von Stein (Freie Wähler) sind aus der Sicht von Karin Sailer nach wie vor die Verbündeten, auf die Schüler- und Lehrerschaft der Landwirtschaftlichen Schule zählen können. „Sie haben sich dafür eingesetzt, dass wir weiterhin einen grünen Unterricht machen können und nicht in der Stadt von einer Steinwüste umgeben sind, und das auch gegen die Verwaltung “, sagt Sailer. Auf die Frage, wer denn dagegen sei, nennt Sailer keinen Namen. Sie seufzt nur und sagt: „Na ja ...“ Der Verwaltung, die sie zuvor als Bremser ausgemacht hat, steht Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann vor.

Die Schülersprecherin Maria Reicher nennt den Raummangel eine Notsituation für ihre Kommilitonen. Sie selbst sei aber gar nicht so unglücklich, dass der Umzug sich nun zumindest verzögert. „Wir sind im Römischen Wirtshaus untergebracht. Das ist so ein schönes Klassenzimmer“, sagt Reichert. Deshalb würden die Schüler auch darüber hinwegsehen, dass die Toilette vor dem Unterricht am Freitag nicht gereinigt werde, meint sie. Vor allem ist ihr wichtig, dass die Landwirtschaftliche Schule auch künftig in der Nähe der Hohenheimer Gärten bleibt, sagt sie. Diese Ansicht teilt Reiner Bierig, Geschäftsführer des Garten-, Landschafts-, und Sportplatzbauverbands Baden-Württemberg. Auch er fordert, dass der künftige Standort nicht zu weit entfernt ist von den Grünanlagen in Hohenheim. Er sei „unheimlich enttäuscht“ darüber, dass die Stadt keine Lösung für die Landwirtschaftliche Schule findet. Die Betriebe hätten in den vergangenen Monaten die Interimslösung für die Landwirtschaftliche Schule akzeptiert.

Mit Nachdruck für neuen Standort einsetzen

Dass diese auch weiterhin gezwungen sei, sich Räume mit der Schule für Gartenbau zu teilen oder Alternativen in anderen Gebäuden zu finden, sei dagegen nicht hinnehmbar, sagt Reiner Bierig. Er verspricht, dass sich die Betriebe und der Branchenverband nun mit Nachdruck für einen neuen Standort einsetzen werden, der den Erwartungen gerecht wird. „Bei den Berufen, die an der Landwirtschaftlichen Schule gelehrt werden, handelt es sich schließlich um Jobs mit Zukunft“, betont er. Die Stadt müsse dem gerecht werden, fordert Reiner Bierig.