Lasst uns über ... Altersunterschiede reden Liebe kennt kein Alter, oder doch?

Er steht mitten im Berufsleben, sie macht gerade erst Abitur – viele Leute sehen große Altersunterschiede zwischen Partnern kritisch. Was Beziehungen mit einem viel älteren oder jüngeren Menschen reizvoll macht und wann es zu Konflikten kommen kann, erklärt Paartherapeut Oliviero Lombardi.
Stuttgart - Heidi Klum und Ehemann Tom Kaulitz haben ihn, Michael Wendler und seine Freundin Laura erst recht und bei vielen von Madonnas Liebeleien war er ebenfalls omnipräsent – der große Altersunterschied. Ich erinnere mich noch an eine Faustregel von früher, dass der ideale Abstand zwischen zwei Partnern sieben Jahre sei. Die Frau war dem Mann, auch durch das jüngere Alter, damals meist untergeordnet. Heute führt man Partnerschaften auf Augenhöhe, deshalb findet manch einer Beziehungen mit extremem Altersunterschied problematisch. Ganz unbegründet ist das nicht.
Die Lebenswelten der Partner sind oft komplett unterschiedlich. Nehmen wir mal an, er ist 28 Jahre alt, sie 18. Er steht schon mitten im Berufsleben während sie gerade erst ihr Abitur macht. Sie will beim Abendessen vielleicht davon erzählen, wie sie mit ihren Abi-Noten zu kämpfen hat oder über die zickige Freundin lästern, während er lieber über einen Konflikt mit seinem Chef sprechen will. Da ist es unter Umständen schwierig, ein gemeinsames Gesprächsthema zu finden.
Am Klischee von Mutter- und Vaterkomplex ist was dran
Ein klassischer Streitpunkt ist auch das Thema Kinderwunsch. Oft ist es so, dass der jüngere Partner ein Kind will, während der ältere die Familienplanung bereits abgeschlossen hat. Dann muss man entscheiden, was einem wichtiger ist: Die Beziehung oder der Kinderwunsch. Sich deshalb zu trennen geht meist nicht ohne Herzschmerz. Einen Älteren oder eine Ältere an seiner Seite zu haben bringt nämlich auch viel Gutes mit sich.
Der junge Part fühlt sich natürlich sehr begehrt und wird tendenziell unkritisch betrachtet. Einem 50-Jährigen werden die Falten einer 30-Jährigen nicht so auffallen. Während ein 28-Jähriger die Falten einer 30-Jährigen sehr wohl bemerkt. In der Regel sind die älteren Partner auch ruhiger, entschleunigter und klarer. Das kann für einen jungen, unstrukturierten Menschen einen Mehrwert bieten. Bei dem reiferen Partner erleben sie einen sicheren Hafen und Geborgenheit. Oft hört man ja, dass Leute, die mit älteren Menschen ausgehen, einen Mutter- oder Vaterkomplex haben. Und wie bei den meisten Klischees ist da auch was dran. Wenn man den familiären Hintergrund dieser Typen anschaut, ist es tatsächlich oft so, dass sie als Kind eine schwierige Vater- oder Mutterbeziehung hatten und das später mit der Partnerwahl versuchen zu kompensieren.
Oft hat ein junger Partner auch mit Image zu tun
„Männer holen sich eine junge Freundin, wenn sie in der Midlife-Crisis sind“ ist noch so ein Klischee an dem etwas Wahres dran ist. Die Midlife-Crisis kommt ja nicht zufällig, sondern immer dann, wenn die Sinnhaftigkeit des Lebens ins Wanken gerät, beispielsweise wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Oft orientiert man sich dann wieder an Werten, an denen man sich schon vor Jahren orientiert hat: Jugendlichkeit und Attraktivität. Um wirklich aus der Krise herauszukommen, müsste man einiges an seinem Leben ändern. Das ist aber deutlich schwieriger, als sich eine junge Geliebte zu suchen, die einen schnell mal einen Kick gibt. So ähnlich war das vielleicht bei Michael Wendler. Wenn man sein Leben aber ohnehin schon sehr an Äußerlichkeiten aufhängt, hat ein junger Partner eher mit Image als mit großer Liebe zu tun. Eine junge Dame oder ein junger Herr macht sich halt gut auf dem Ferrari-Beifahrersitz.
Es braucht aber keinen Sportwagen, um die Vorteile eines jüngeren Partners zu erkennen. Wenn man zum Beispiel sehr aktiv und sportlich ist, passt ein jüngeres Pendant vielleicht tatsächlich besser. Viele ältere Männer und Frauen können sich gar nicht mit Gleichaltrigen identifizieren. Außerdem sind einfach mehr junge Leute auf dem Markt. Wer abends mal in eine Bar oder Kneipe geht, sieht das sofort. Die jungen Leute dort sind oft paar-williger – um nicht zu sagen paarungswilliger.
Das Geheimnis einer guten Beziehung ist Ergänzung, nicht Gleichheit
Und da kommen wir schon zum nächsten Vorteil eines jungen Partners: Das sexuelle Erlebnis. Das Stehvermögen eines 20-Jährigen ist objektiv einfach ein anderes als eines 50-Jährigen. Der oder die Jüngere bewegt sich in der Regel ganz anders im Bett. Diese Kraft und Potenz sind anziehend für Ältere. Warum sonst hatte Madonna so viele junge Toyboys? Mit einem reiferen Partner kann es allerdings kritisch werden. Kommt der Mann ins hohe Alter, wird er irgendwann seine Potenzgrenze erreichen, bei der betagten Frau ist es ähnlich. Unter Umständen sind irgendwann die Bedürfnisse der Partner nach Sex komplett unterschiedlich.
Das soll aber nicht heißen, dass eine Beziehung mit großem Altersunterschied zum Scheitern verurteilt ist. In der Spanne zwischen 30 bis 60 kann sie vielleicht sogar besser funktionieren als klassische Konstellationen. Ich denke, das Geheimnis einer guten Beziehung ist nämlich oft Ergänzung, nicht Gleichheit. Und wenn eine Heidi Klum das in ihrem 17 Jahre jüngeren Mann findet – warum nicht?
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