Nach einer Geburt soll der sogenannte „Husband Stitch“ die Frau für den Sex mit ihrem Mann wieder enger machen. Was es mit dieser zweifelhaften Methode auf sich hat und welche Eingriffe wirklich nötig sein können, erklärt Gynäkologin Jutta Böhmler-Hahn.

Stuttgart - Eine Geburt ist nicht nur ein aufregendes Ereignis für die werdende Mutter, sondern auch eine Höchstleistung ihres Körpers. Dass da nicht immer alles reibungslos ablaufen kann, ist daher nicht verwunderlich. Damm-Risse, also eine Verletzung des Gewebes zwischen Scheide und After, sind beispielsweise recht häufig. An sich keine große Sache, denn der Arzt näht den kleinen Riss mit ein paar Stichen wieder zusammen. Aber immer wieder hört und liest man Erfahrungsberichte von Frauen, die einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Aus den nötigen Stichen wurden ein paar Stiche zu viel.

 

Aber warum? Die Frauen beichten nicht von Fehlern der behandelnden Ärzte, sondern von den Wünschen der frischgebackenen Väter. Der sogenannte „Husband Stitch“ (auf Deutsch etwa: „Stich für den Ehemann“) soll nämlich ausschließlich dem Sexleben des Mannes zugutekommen. Damit auch nach der Geburt alles so ist wie zuvor, wird die Scheidenöffnung bei einem bestehenden Dammriss unnötig verengt.

Wie oft so etwas tatsächlich in deutschen Kreißsälen passiert ist nicht bekannt. Auch nicht, ob es tatsächlich immer auf Wunsch des Mannes geschehen ist. Dennoch ist diese Praktik nicht nur moralisch, sondern vor allem medizinisch nicht ganz unbedenklich und führt eher zu Schmerzen beim Sex, als zu mehr Lust beim Mann. Mir ist so ein „Wunsch“ zum Glück noch nie untergekommen, aber ich würde jeden Ehemann hochkant rausschmeißen, wenn er mich um so etwas bitten würde!

Keine Angst vor natürlichen Geburten!

Abgesehen von solchen Horror-Methoden, gibt es natürlich auch notwendige Eingriffe, die medizinisch indiziert sind und ausschließlich der Gesundheit der Frau dienen. Während der Schwangerschaft, aber vor allem bei der vaginalen Geburt, wird der Beckenboden enorm gedehnt. Im Normalfall wird die Gebärmutter durch Bänder, Bindegewebe und Beckenbodenmuskulatur an ihrem Platz gehalten.

Bei Frauen mit einem sehr schlechten Bindegewebe können diese Strukturen reißen oder Bänder überdehnt werden. Dann besteht die Gefahr, dass sich die Gebärmutter senkt. Im Extremfall kann die Gebärmutter sogar durch die Scheide teilweise nach außen treten. Auch eine Scheidensenkung kommt in diesem Zusammenhang vor. Dabei sackt die Vagina ab und Frauen haben ein Fremdkörpergefühl in der Scheide.

Aber bitte keine Angst vor einer natürlichen Geburt! Auch, wenn ich die grundsätzliche Angst von Frauen, dass eine Geburt sie verändert, völlig nachvollziehen kann. Daher ist es unsere Aufgabe aufzuklären und mit Gerüchten, die vielleicht unter Neu-Müttern kursieren, aufzuräumen. Ja, eine Geburt verändert den Körper der Frau und es kann danach anders sein als zuvor. Von der Brust, die nach dem Stillen nicht mehr so straff ist, dem Bauch, der vielleicht von Schwangerschaftsstreifen übersäht ist oder der Vagina, die sich erst nach einiger Zeit wieder zusammenzieht. Schönheitskliniken, die ganze „Mommy Makeovers“ anbieten, sind da natürlich nicht gerade hilfreich, Frauen die Angst zu nehmen.

Beckenbodentraining ist Trumpf

Die meisten Folgen einer Schwangerschaft und Geburt bekommt die Natur oder die Frau mit konventionellen Techniken und Übungen wieder in den Griff. Ich bin eine große Verfechterin des Beckenbodentrainings – nicht nur für Mütter! Mit gezieltem und regelmäßigem Training lässt sich die Muskulatur stärken und Symptome wie Inkontinenz oder sexuelle Probleme gezielt beseitigen – und das nicht auf dem OP-Tisch, sondern auf der Sportmatte.

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