Viele Frauen wünschen sich irgendwann ein Kind. Warum zu langes Warten auf den richtigen Zeitpunkt problematisch sein kann, ob ein Handstand nach dem Sex wirklich hilft und welche Untersuchungen wichtig sind, erklärt die Gynäkologin Jutta Böhmler-Hahn.

Digital Desk: Anna Röckinger (ala)

Stuttgart - Wenn eine Frau einen regelmäßigen Zyklus hat, dann wird sie auch irgendwann schwanger. Das hat mal ein Hormon-Papst gesagt. Leicht gesagt, aber nicht immer so leicht getan.

 

Viele Frauen kennen ihren Zyklus und ihren eigenen Körper nämlich durch jahrelange hormonelle Verhütung gar nicht mehr – oder kannten ihn noch nie. Wann bin ich eigentlich fruchtbar? Wann ist mein Eisprung? Wie finde ich das heraus? Wann kann ich schwanger werden?

Einige greifen dann schon mal zu seltsamen Methoden, wie Handstand nach dem Sex oder ähnlichem. Das ist Unsinn. Als erste und einfachste Möglichkeit rate ich dazu, die Basaltemperatur zu messen. Das ist die Körpertemperatur noch vor dem Aufstehen und die Messung notiert diese. Damit wird nicht nur ermittelt, ob es während eines Zyklus überhaupt zu einem Eisprung kommt, sondern auch, wann die fruchtbaren Tage sind. Kurz vor dem Eisprung sinkt die Temperatur nämlich. Nach dem Eisprung steigt die Temperatur hingegen um etwa ein halbes Grad an und die Temperatur bleibt für drei aufeinanderfolgende Tage gleich hoch. In dieser Phase heißt es ran an den Mann. Diese Methode bedarf allerdings etwas Übung, Zeit und Gewissenhaftigkeit. Erst nach einigen Monaten des Messens erkennt man seinen Zyklus. Etwas einfacher geht es mit bestimmten Geräten, die die Temperatur gleich speichern und analysieren.

Kein Sex nach Kalender, bitte!

Aber meine dringende Bitte, auch wenn der Kinderwunsch noch so groß ist: kein Sex nach Plan! Das Liebesleben sollte keinesfalls darunter leiden. Wer nur noch nach Kalender und an fruchtbaren Tagen Sex hat, macht vieles kaputt. Von einem Sex-Marathon rate ich ebenfalls ab. Bei zu häufigem Sex nimmt die Spermienanzahl pro Ejakulat ab. Auch, wenn nur ein einziges Spermium durchflutschen muss, sollte am besten zwei bis drei Tage vor dem Eisprung auf Sex verzichtet werden.

Und da sind wir auch schon beim Mann – keinem ganz unwichtiger Teil. Daher sollte auch er sich zum Arzt begeben und untersuchen lassen, ob er und seine Spermien gesund sind. Für Frauen ist der Gang zum Gynäkologen, aber auch zum Hausarzt, sowieso unumgänglich. Ich rate zu einem normalen Blutbild, um die Entzündungswerte zu überprüfen. Wichtig sind auch die Schilddrüsenwerte. Bei einer Unterfunktion kann es zu einem erschwerten Eisprung kommen und auch während einer Schwangerschaft sollten die Werte in diesem Fall überwacht werden. Bleibt der Kinderwunsch dennoch unerfüllt, gibt es als letzte Möglichkeit eine Hormonanalyse. Dabei wird beispielsweise nach Prolaktin (Stillhormon), männlichen Hormonen oder Östrogen geschaut und gegebenenfalls gegengesteuert.

Natürlich spielen auch andere Lebensgewohnheiten eine Rolle. Verzichtet bitte aufs Rauchen. Dadurch wird die Eierstockarterie verengt, was einen Eisprung verhindern kann. Alkohol ist nur während der Schwangerschaft gefährlich. Man sollte sich dennoch nicht regelmäßig betrinken, wenn ein Kind in Planung ist. Dass die Qualität der Eizellen kurzfristig beeinflusst werden kann, ist Quatsch. Die Eizellen einer Frau sind so alt wie sie selbst und im besten Fall reift einer davon pro Zyklus an.

Das Wichtigste: Locker bleiben!

Dennoch kann man auch kurzfristig etwas Gutes tun: Der Klassiker zur Vorbereitung auf eine Schwangerschaft ist Folsäure, meist in Kombination mit Jod. Das ist vor allem dann wichtig, wenn man die Pille genommen und abgesetzt hat. Danach kann es bis zu einem halben Jahr lang zu einem Mangel kommen. Bei zu wenig Folsäure ist das Risiko eines offenen Rückens beim Ungeborenen erhöht. Dass man nicht direkt nach dem Absetzten der Pille schwanger werden kann, ist übrigens ein Mythos.

Trotz allen Hilfsmitteln, Methoden und Tipps: am wichtigsten ist es doch, locker zu bleiben – und nicht zu lange zu warten!

Der Lebenslauf vieler Frauen sieht nämlich so aus: Schulabschluss machen, Ausbildung oder studieren, Geld verdienen, heiraten, Haus bauen und dann soll schnell der Nachwuchs her – und oft klappt es dann nicht sofort mit dem Kinderkriegen. Das kann natürlich zahlreiche Ursachen haben, aber die größte ist wohl Druck. Denn je größer der (Zeit-)Druck, desto schwieriger wird es, schwanger zu werden.

Ideale Produktionsphase liegt bei maximal 25 Jahren

Als Gynäkologin muss ich ehrlich sagen, das durchschnittliche Alter für die erste Schwangerschaft in Deutschland ist mit 29 Jahren zu alt. Es liegt jenseits der idealen Produktionsphase von 20 bis 25 Jahren. In jungen Jahren kommt einem eine Schwangerschaft ja nahezu zugelaufen. Mit Anfang 20 werden 30 bis 40 Prozent der Frauen innerhalb eines Jahres schwanger, ab 45 Jahren liegt die Rate bei nahezu null Prozent. Die magische Grenze einer Schwangerschaft liegt bei 52 Jahren, danach wird es auch gefährlich für Mutter und Kind.

Dass Frauen immer älter schwanger werden, hängt natürlich mit den Lebensumständen zusammen. Es hängt einfach deutlich mehr hinten dran. Ich habe meine Tochter 1990 bekommen, da hatte ich dann plötzlich keine Chance mehr, Oberärztin zu werden, kam nicht mehr in den OP und solche Geschichten. Das ist jetzt nur mein Beispiel, aber so geht es doch vielen Frauen. Dann ist da der Druck von der beruflichen Seite und der von außen, nach dem Motto: ‚Bei dir wird es aber auch langsam Zeit‘. Das bringt Frauen umso mehr in eine Bredouille, die nicht gerade förderlich für eine Schwangerschaft ist. Aber lassen Sie sich gesagt sein: ein Häuschen und ein guter Job sind nicht alles.

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