Suff-Sex ist bisweilen eine traurige Angelegenheit, meint unsere Kolumnistin Claudia Huber. Warum lassen wir es nicht einfach bleiben, betrunken intim zu werden? Auch das hat Gründe.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Volltrunkener Sex ist selten der Knaller. Trotzdem haben viele Menschen immer wieder besoffen Geschlechtsverkehr, ganz unabhängig, ob sie sich in einer Beziehung befinden oder um es One-Night-Stands geht. Trotz der häufigen Ernüchterung am Morgen lassen wir es einfach nicht sein und tun es wieder, wohlwissend, dass solcher Sex in den seltensten Fällen zu echter Befriedigung führt. Warum nur?

 

Meine Theorie ist, dass die meisten Menschen sich unterberührt fühlen. Und da wir alle Körperkontakt-Tierchen sind, liegt es nahe, das ändern zu wollen. Alkohol hilft, Hemmungen abzubauen. Wir trinken, kommen uns näher, tanzen, knutschen, fummeln, gehen ins Bett, kuscheln – bis dahin ist alles cool. Meistens könnte man hier auch aufhören. Wieso tun wir es nicht?

Kerbe in den Bettpfosten ritzen

Eigentlich sind die körperlichen Bedürfnisse damit häufig erfüllt. Schon im Mittelalter haben rückblickend ziemlich barbarische Versuche mit Waisenkindern gezeigt, wie wichtig Körperkontakt für uns ist: Alle Kinder im Waisenhaus haben dasselbe Essen gekriegt, aber nur eine Gruppe wurde auch in den Arm genommen. Die Sterberate bei der ersten Gruppe war viel höher.

Für Erwachsene ist der Sex in der Trunkenheit darum eigentlich nicht wirklich sinnvoll, sind es doch primär andere Bedürfnisse, die wir in diesem Zustand erfüllen wollen. Beim stark alkoholisierten Sex lässt die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit nach, beide Geschlechter kämpfen mit Orgasmusproblemen, die Handlungen sind unkoordiniert. Kurz, wir sind einfach nicht bei der Sache.

Jetzt gibt es trotz dieser manchmal erbärmlicher Bilder doch zwei ganz gute Gründe, doch betrunken Geschlechtsverkehr zu haben. Der nicht ganz so gute Grund ist das Bedürfnis, sich eben noch eine Kerbe in den Bettpfosten reinzuritzen. Man versucht, mit Sex eine innere Leere zu füllen. Viele merken: Das funktioniert auf Dauer nicht. Und vor allem Frauen sagen sich dann nach einem enttäuschenden Erlebnis: Der Typ war nicht gut im Bett.

Guter Sex, wenn man sich verletzlich zeigt

Der andere, bessere Grund für alkoholisierten Sex zeigt sich vor allem in Beziehungen. Denn bei vielen Paaren gibt es nicht nur zu wenig bewusste Körperberührungen, sondern auch Kommunikationsprobleme, was man sich im Bett wirklich wünscht. Da der Alkohol locker macht, hilft das, einen Schlüssel rumzudrehen, den man nüchtern vielleicht nicht rumdrehen würde.

Aus Scham. Manchmal fällt es mit ein bisschen Wein im Kopf leichter, sich so zu zeigen, wie man ist. Dabei entsteht guter Sex genau dann, wenn man sich verletzlich zeigt.

Ansonsten gilt: Wenn man Suff-Sex hat, sollte man insgesamt nicht zu viel erwarten. Und vielleicht reicht es das nächste Mal, einfach nur ein bisschen berührt zu werden.

Hier geht es zu Claudia Elizabeth Hubers Blog.

Lesen Sie hier die anderen Teile unserer Kolumnen-Reihe „Lasst uns über ... reden“

Wenn wir wollen, was uns nicht guttut

Ist er wirklich ein Orgasmus-Turbo?

Menstruations-Sex und der Joghurt auf der Tampon-Spitze

Nach dem Happy End beginnt das Stolpern

Gute Orgasmen statt nur Kopfkino

Wie man am Wochenanfang die Fernbeziehung übersteht