Nach rund einem Jahr ist die Pfarrstelle im Weissacher Ortsteil Flacht neu besetzt – mit der ersten Frau auf diesem Posten.

Für Lena Warren ist es eine Premiere: Zum Interviewtermin in der Flachter Laurentiuskirche dreht die neue Pfarrerin das erste Mal selbst den Schlüssel im Schloss der Kirchentür. Erst vor drei Wochen ist sie im Weissacher Teilort angekommen, einen Gottesdienst, ihren großen Begrüßungsgottesdienst, hat sie bereits hinter sich. Seit rund einem Jahr ist ihr Vorgänger Harald Rockel im Ruhestand, seitdem war die Stelle unbesetzt. Mit Lena Warren, Jahrgang 1992, ist nun endlich eine Nachfolge da. „Als erste Pfarrerin“, berichtet sie.

 

Keine Frage des Geschlechts – sondern des Typs

Ganz zufällig getroffen hat Warren die Ortswahl nicht. Wer mit dem Vikariat, dem praktischen Teil der evangelischen Pfarrausbildung, fertig ist, wird erst einmal Pfarrer auf Probe – und ist eigentlich nicht bewerbungsfähig. Eine Liste mit möglichen Wunschorten konnte Warren allerdings aufstellen. Weissach schaffte es auf die Liste, weil ihr Ehemann, mit dem sie nach Weissach gezogen ist, Familie in der Nähe hat. Zufrieden ist sie mit der Wahl: „Bis jetzt finde ich es klasse“, berichtet die Pfarrerin. „Ich habe bisher nur sehr nette Menschen kennengelernt.“ Begrüßt worden sei sie in Flacht sogar vom Posaunenchor – ein warmer Empfang.

Auch viele Nachrichten, wie schön es sei, eine junge Frau auf dieser Stelle zu haben, haben sie erreicht. In der Tat entspricht Warren, die in bunter Bluse, Jeans und Turnschuhen zum Interviewtermin erscheint, nicht gerade dem Klischee des älteren Dorfpfarrers. „Es sind schon immer wieder Menschen überrascht, dass man in diesem Amt so jung ist“, so Warren. In ihrem Kurs im Vikariat, das sie in Leinfelden absolviert hat, sei ein Großteil der Teilnehmer aber sogar weiblich gewesen. „Für mich ist es eine Typfrage“, sagt Warren. „Ich weiß, dass es manchmal schwierig ist als junge Frau. Ich kann mich aber ganz gut behaupten.“ Für sie sei es auch eine Chance, nicht dem Pfarrersklischee zu entsprechen. „Vielfältigkeit bereichert einfach alles.“

Kirche von Kinderschuhen an mitbekommen

Mit dem Glauben aufgewachsen ist Lena Warren in Wanderup bei Flensburg – ihr Vater Diakon, ihre Mutter engagierte sich ebenfalls in der Kirche. „Das hat mich sehr geprägt“, so die Pfarrerin. Eine sehr aktive Kirchengemeinde habe sie damals erlebt – den Konfirmandenunterricht allerdings habe sie in einer Nachbargemeinde absolviert, die eher auf ein älteres Publikum ausgerichtet war. „Da dachte ich: Das mach’ ich selber besser.“ Die Jugendarbeit ist deshalb etwas, dass die Pfarrerin in Flacht angehen will.

Dass ihr Alter eine Chance ist, eine junge Zielgruppe anzusprechen, hofft Warren dabei auch – wobei das immer eine Gratwanderung sei, ergänzt sie. „Auf der einen Seite geht es nicht um mich, sondern um Gott und den Glauben. Auf der anderen Seite ist dieses Amt natürlich schon intensiv mit einer Person verknüpft.“ Heutzutage seien Pfarrer aber nicht mehr die Alleinunterhalter, die sie früher waren – und sein mussten, denn vor einiger Zeit war es nach dem Theologiestudium nicht immer selbstverständlich, auch eine Pfarrstelle zu finden.

Heute ist das anders, in der evangelischen Kirche wie in jedem anderen Beruf. „Unsere Generation sucht die Work-Life-Balance“, so Warren. Junge Pfarrerinnen und Pfarrer würden sich heute nicht mehr als Einzelkämpfer sehen. Stattdessen als Teamplayer: „Ich will Hand in Hand arbeiten und gemeinsam Kirche gestalten“, sagt Warren. „So hat jeder die Chance, seine Stärke einzubringen.“ Sicherheit gebe ihr, dass sie Rückenwind hat. „Ich bin nur das ausführende Werkzeug.“

Wenig Sorge wegen des Pfarrplans

Für die junge Pfarrerin steht in den kommenden Wochen nun das Einarbeiten und Kennenlernen an. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger hat sie nur noch eine 75-Prozent-Stelle – dank der Stelleneinsparungen, die die evangelische Kirche im Zuge des „Pfarrplans“ durchsetzt. Dass dieser „wie ein Damoklesschwert“ über den Gemeinden hänge, sagt auch Warren. Über die Zukunft der evangelischen Kirche macht sie sich aber wenig Sorgen. „Das Christentum hat es geschafft, 2000 Jahre zu existieren“, sagt sie. „Solange Menschen von Gott und Jesus begeistert sind, sehe ich da keine Probleme.“