Seit Mai erheben Freiwillige in ganz Stuttgart Daten über die Barrierefreiheit von Läden, Apotheken, Restaurants und Co. Dieter Grimm und Regina Stafflinger sind zwei von ihnen. Wir haben sie bei einer Tour begleitet.

Volontäre: Julika Wolf (jwo)

Stuttgart - Wie breit ist die Tür? Gibt es Treppen im Eingangsbereich? Sind Behindertenparkplätze vorhanden? Das sind Fragen, die sich Dieter Grimm und Regina Stafflinger an diesem Vormittag immer wieder stellen. Die beiden sind im Auftrag der Stadt Stuttgart in Vaihingen unterwegs, um Daten für den barrierefreien Online-Stadtführer zu erheben. Der soll Anfang nächsten Jahres an den Start gehen und Menschen mit Behinderungen Orientierung bieten.

 

Regina Stafflinger und Dieter Grimm kennen sich in Vaihingen bestens aus. Sie leben in Rohr und sind Stammgäste in den Geschäften, die sie an diesem Tag besuchen. Bewaffnet mit dickem Ordner und Meterstab betreten sie den Naturkostladen Grünschnabel. Die Mitarbeiter wissen Bescheid und lassen die beiden einfach machen. Die gehen routiniert ans Werk: Sie messen die Türbreite, fragen nach barrierefreien Toiletten und haken nach, ob Blindenhunde im Laden erlaubt sind. Schließlich geht es bei der Barrierefreiheit nicht nur um Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Auch Menschen mit Seh- und Hörbehinderung soll der Online-Stadtführer Hinweise geben, wo sie zum Beispiel selbstständig einkaufen können.

Die beiden haben das Prozedere schon öfters gemacht. „Wir haben im Frühjahr den Aufruf für Erheber in der Zeitung gelesen. Da ich selbst betroffen bin, fand ich das Projekt interessant“, sagt Dieter Grimm. Der 52-Jährige sitzt selbst im Rollstuhl und kann von fehlender Barrierefreiheit ein Lied singen. „Manchmal ist der Schlitz für Münzen an Automaten zu hoch. Im Sitzen kommt man da nicht dran“, erzählt er. Auch die Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei allein fast unmöglich – trotz Rampen im Bus ist er auf die Hilfe von den Fahrern oder anderen Mitmenschen angewiesen. Regina Stafflinger kennt die Probleme: „Oft ist der Bordstein an Ampeln zwar abgeflacht, aber eine Schwelle bleibt trotzdem. Das verstehe ich nicht: Warum macht man die Kante nicht gleich ganz flach?“, sagt die 51-Jährige. Man merke, dass viele Menschen sich keine Gedanken über Barrierefreiheit machen, weil sie es nicht müssen. „Manche Architekten sollten sich mal in einen Rollstuhl setzen, um zu sehen, wie es den Leuten geht“, sagt sie. Denn zurzeit werden viele Dinge eher „barrierearm“ als barrierefrei angelegt.

Vor allem junge Leute sind sehr hilfsbereit

Trotzdem sei in den letzten Jahren vieles besser geworden. „In den neuen Gebäuden gibt es oft keine Schwellen mehr“, sagt Dieter Grimm. Auch moderne Aufzüge verfügen oftmals über Knöpfe mit Blindenschrift, manchmal wird das Stockwerk angesagt. Und was immer geht: Leute um Hilfe bitten. „In meiner Erfahrung sind die Menschen zu neunzig Prozent absolut hilfsbereit“, sagt er. Vor allem junge Leute bieten häufig ihre Hilfe an. Auch die Chefin im Naturkostladen sichert solche Hilfe zu. Zum Beispiel für Menschen mit Sehbehinderung, denn Blindenhunde sind wegen der Lebensmittel im Laden nicht erlaubt. Der Wille ist auf jeden Fall da. Allerdings ist das Prinzip des Stadtführers auch nicht, zu bewerten – es geht lediglich um eine Bestandsaufnahme.

Angestoßen wurde das Projekt durch Anfragen. „Viele wollten wissen, wo sie in der Stadt problemlos Essen gehen oder einkaufen können“, sagt Andrea Philipp-Soppa von der Geschäftsstelle der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung. Ziel des Stadtführers ist, Menschen über Barrierefreiheit zu informieren. „Es gibt ungefähr 44 000 Menschen mit Schwerbehindertenausweis in Stuttgart. Dazu kommen Leute mit Rollator“, sagt sie. Oftmals fehle den Leuten die Information darüber, dass zum Beispiel jemand in einem Laden die Gebärdensprache kann. Künftig können sie sich darüber vorab informieren.