Firmen in Leinfelden-Echterdingen tun sich oftmals schwer, gute Mitarbeiter zu rekrutieren, weil diese keine bezahlbare Wohnung finden. Die Betriebe gehen mit dieser Herausforderung unterschiedlich um.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Leinfelden-Echterdingen - Auf den ersten Blick hat das Parkhotel in Echterdingen nichts mit dem Weltkonzern Facebook gemeinsam. Auf einen zweiten Blick hingegen schon. Vor Kurzem hat Facebook verkündet, 1500 Firmenwohnungen für seine Mitarbeiter bauen zu wollen. Der Fachkräftemangel im Silicon Valley macht es nötig. Die horrenden Mieten können sich nur noch wenige leisten, weshalb Facebook einen neuen Wettbewerbsvorteil für sich entdeckt hat: Wohnraum für seine Mitarbeiter zu schaffen. Ein Konzept, das in Deutschland eine lange Tradition hat, auch wenn diese eher eingeschlafen zu sein scheint.

 

1500 Wohnungen schweben Elouan Pêcheur nicht vor. Doch der General Manager des Parkhotels Stuttgart Messe-Airport ist schon seit Längerem darum bemüht, ein Grundstück oder eine passende Immobilie für etwa ein Dutzend Mitarbeiterwohnungen nahe des Hotels an der Filderbahnstraße zu finden. „Leider sind wir bisher nicht fündig geworden“, sagt Pêcheur. Immer wieder liegen Bewerbungen qualifizierter Menschen auf seinem Schreibtisch. Immer wieder bekommt er dieselbe Absage. „Wenn die Leute die Mietpreise in Leinfelden-Echterdingen sehen, können sie sich das nicht leisten.“ In Vorstellungsgesprächen gehöre es längst zu den Standardfragen, ob das Parkhotel Wohnungen für seine Mitarbeiter im Portfolio habe.

Man müsse sich heutzutage einiges einfallen lassen als Arbeitgeber

Carlheinz Weitmann ist ein Schritt weiter. Der Chef des Maschinenbauers Weko in Echterdingen verfügt über drei Wohnungen für Arbeitnehmer. Um gute Mitarbeiter zu gewinnen, „muss man sich heute einiges überlegen“, sagt Weitmann. „Damit haben wir klare Vorteile.“ Die Immobilienpreise vor Ort seien „jenseits von Gut und Böse“. Am Standort Leinfelden-Echterdingen beschäftigt Weko rund 60 Mitarbeiter. In Balingen, wo die Fertigung angesiedelt ist, sei mangelnder Wohnraum für Mitarbeiter indessen „kein Thema“.

Weitmann ist gleichzeitig der Vorsitzende der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung (IWV) in Leinfelden-Echterdingen. Er hat sich bei seinen Kollegen im Vorstand umgehört, wie sie zum Bau oder Kauf von Mitarbeiterwohnungen stehen. „Sie sehen das nicht als interessantes Konzept“, gibt Weitmann seine Erkenntnis wieder. Obschon seine Vorstandskollegen bestätigt hätten, dass die hohen Miet- und Kaufpreise vor Ort im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter von Nachteil seien. „Sie sagen, das Problem besteht, sie glauben aber nicht, dass es über diesen Weg gelöst werden kann“, sagt Weitmann. Sie würden sich eher ein anderes Verkehrskonzept wünschen, damit diejenigen, die in der Umgebung erschwinglichen Wohnraum gefunden haben, staufrei nach Leinfelden-Echterdingen pendeln können.

Die Zahl der Arbeitsplätze ist gestiegen

Dass Facebook plant, ein Dorf namens „Willow Campus“ zu errichten, hat auch mit Facebook selbst zu tun. Im Silicon Valley sind seit 2010 rund 640 000 Jobs entstanden. Jobs für Menschen, die irgendwo wohnen müssen. Auch in Leinfelden-Echterdingen ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze gestiegen. Zwar nicht annähernd vergleichbar mit der Größenordnung im Silicon Valley, aber immerhin von 2009 bis 2016 um rund 4500. Die aktuell 30 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze machen 70 Prozent aller Beschäftigten aus.

Angelika Goldak, die städtische Wirtschaftsförderin in Leinfelden-Echterdingen, weiß um das Problem mit dem Fachkräftemangel, der durch die hohen Immobilienpreise verstärkt wird. Sie berichtet, dass die Stadt eine sehr hohe Zahl an Einpendlern verzeichne. 25 500 seien es tagtäglich. Zum Vergleich: In Filderstadt sind es 11 000, in Ostfildern 9500.

Eine Lösung: Betriebliches Mobilitätsmanagement

Um die Autos von den Straßen zu holen, sieht die Strategie der Stadt zum einen ein betriebliches Mobilitätsmanagement vor. Das bedeutet, dass sich Firmen beispielsweise Gedanken machen über Fahrgemeinschaften oder Anreize für die Nutzung von Bus und Bahn. Zum anderen baut die Stadt aber auch auf neuen Wohnraum vor Ort. Goldak verweist auf das Projekt Schelmenäcker, wo 200 Wohnungen entstehen sollen – und zwar für alle Geldbeutel.

Die Firma Euchner geht einen anderen Weg, um Mitarbeiter bei der Wohnungssuche zu unterstützen. So hat der Maschinenbauer mit weltweit 700 Mitarbeitern – davon sind in Leinfelden 500 beschäftigt – kürzlich im Amtsblatt ein Wohnungsgesuch drucken lassen. Der neue Mitarbeiter komme aus Aachen, berichtet der Personalchef Andreas Weisbeck. Er kenne sich vor Ort nicht aus. Zudem: „Wenn wir als Firma auftreten, werden plötzlich ganz andere Wohnungen angeboten.“ Und zwar durchaus zu erschwinglichen Preisen, wie er sagt. Konkret seien unter den Angeboten, die bisher auf die Annonce eingegangen seien, Drei-Zimmer-Wohnungen für 700 bis 1000 Euro Miete im Monat.