In unserem Zahnradbahngespräch spricht diesmal die VfB-Stuttgart-Legende Karlheinz Förster über Höhe- und Tiefpunkte in seiner Karriere. Der 55-Jährige ist aber nicht nur in der Vergangenheit erfolgreich gewesen, sondern auch jetzt noch als Spielerberater.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Es klingelt. Karlheinz Förster schaltet in seinem Auto die Handy-Freisprechanlage an. Es meldet sich der Vater eines Klienten, der Förster lediglich mitteilen will, dass er sich gerade mit seiner Frau in einem Möbelhaus befindet, um einen Glastisch fürs Wohnzimmer auszusuchen, und dass er darauf eigentlich überhaupt keine Lust habe. „Halt durch, Günther, du schaffst das“, sagt Karlheinz Förster und beendet das muntere und vertraut wirkende Gespräch mit einem Lächeln.

 

Wenn man den 55-Jährigen erlebt, bekommt man ein etwas anderes Bild von einem Spielerberater. Beim Agenten Förster hat das lukrative Fußballgeschäft so gar nichts Schrilles, Knallhartes, Lautes und Unpersönliches. Es ist plötzlich familiär, freundlich und unaufgeregt.

Untypisch beginnt auch das Zahnradbahngespräch mit dem 81-fachen deutschen Nationalspieler, der in seinen 311 Bundesligapartien für den VfB Stuttgart Legendenstatus erreicht hat. Los geht’s diesmal nicht am Marienplatz, sondern in Degerloch, auf dem Parkplatz unter dem Fernsehturm. Auf Wunsch von Herrn Förster, der es sich nicht so ohne Weiteres zugetraut hat, den Marienplatz in Stuttgart-Süd zu finden. „Obwohl ich doch lange in Vaihingen gewohnt habe“, sagt Karlheinz Förster, der mittlerweile wieder in seiner badischen Heimat im Odenwaldörtchen Schwarzach lebt. Und von dort aus ist der Fernsehturm über die Autobahn ziemlich problemlos anzufahren.

Das Zahnradgespräch einmal andersherum

Was bedeutet: das Zahnradgespräch wird zur Abwechslung auf den Kopf gestellt. Mit dem Förster-Audi geht es nämlich vom Fernsehturm nicht zum Marienplatz, sondern benzinsparend rüber zur Degerlocher Endhaltestelle, die kurzerhand zum Startpunkt umfunktioniert wird. Nach dem Telefongespräch mit dem Spielervater kann die Zacke-Unterhaltung beginnen, erstmals mit einer Talfahrt. Dem neuen Fahrplan entsprechend heißt das für Karlheinz Förster: es geht zunächst um die Tiefpunkte in seiner Karriere. „Da fallen mir nicht so viele ein“, sagt Förster.

Auf der Fahrt zum Marienplatz kommt er aber doch auf einige „nennen wir es besser Enttäuschungen“ zu sprechen. Da wären zunächst die zwei verlorenen WM-Endspiele 1982 und 1986. Vor allem letzteres, dieses 2:3 gegen Argentinien, bleibt dem ehemaligen Vorstopper in ganz besonders schlechter Erinnerung. „Weil der Franz alles auf den Kopf gestellt hat“, erinnert sich Förster. „Er ließ Lothar Matthäus gegen Maradona verteidigen und mich gegen Jorge Valdano. So kam es, dass ich auf die rechte Außenposition gezogen wurde und Maradona in der Sturmspitze kaum Gegenwehr hatte.“ In der Pause korrigierte sich der Teamchef Franz Beckenbauer und ließ Karlheinz Förster gegen Diego Maradona ran – allerdings stand es da schon 2:0 für die Argentinier.

"Ich habe säckeweise Voltaren geschluckt"

Ein anderer Tiefpunkt in Försters Karriere hat auch mit der WM 1986 in Mexiko zu tun. Dort fing er sich Bakterien ein, die schwere Rheuma-Schübe zur Folge hatten, seine weitere Karriere zu einer Qual werden ließen. „Ich habe säckeweise Voltaren geschluckt und mich auch mit Cortison spritzen lassen“, sagt Förster, der seinen Spielern heute rät, verantwortungsvoller mit dem eigenen Körper umzugehen. Das sagt einer, der hart zu seinen Gegenspielern war und brutal zu sich selbst. Was zum frühen Karriereende mit gerade einmal 31 Jahren führte. Die Leidenszeit ging aber trotzdem weiter. Schuld daran war auch der Knorpelverschleiß. Besser wurde es erst, als sich Förster auch das zweite Fußgelenk operativ versteifen ließ. „Ich bin jetzt manchmal schmerzfrei“, sagt Förster, der aber auch weiß, dass er nie wieder Fußball spielen kann. „Was würde ich dafür geben, nur ein bisschen in einer Freizeitmannschaft mitzukicken“, sagt er. Stattdessen ist er Trainer der VfB-Traditionsmannschaft.

Er hält seinem Verein die Treue, obwohl er von ihm auch enttäuscht worden ist. „Ich wurde nie vom VfB verabschiedet, von einem Abschiedsspiel will ich ja gar nicht reden.“ Als er den VfB nach der WM 1986 verließ und zu Olympique Marseille wechselte, war die einzige Regung des Clubs, die Ablösesumme in Höhe von 3,5 Millionen Mark einzustreichen. „Das war schon ein bisschen traurig. Einige im Verein waren damals froh, dass ich wegging. Ich war Ihnen zu unbequem. Mein Bruder Bernd und ich stellten Forderungen, wollten, dass sich der VfB gut verstärkt, dass Geld sinnvoll investiert wird. Vor allem nach der Meisterschaft 1984. Aber nichts passierte. So landeten wir in der darauffolgenden Saison mit dem Meistertrainer Helmut Benthaus eben nur im Niemandsland der Tabelle.“

Förster prägte Kuranyis Karriere entscheidend mit

Der Marienplatz ist nun schon fast in Sichtweite, und Karlheinz Förster drückt aufs Tempo. Zwei weitere Enttäuschungen will er auch nur andeuten. Da wäre einmal die Zeit als VfB-Sportdirektor zwischen 1998 und 2001, die er als sehr schwierig in Erinnerung hat. Zum einen aufgrund der großen finanziellen Probleme am Ende der Ära Mayer-Vorfelder. Zum anderen sei es um das Verhältnis zwischen ihm und dem Vorstandskollegen Hansi Müller, der für das Marketing verantwortlich war, nicht zum Besten bestellt gewesen. „Was soll’s“, sagt Karlheinz Förster und spricht dann noch über Kevin Kuranyi, dessen Karriere er als Spielerberater entscheidend mitgeprägt hat. Förster sagt nicht, dass er enttäuscht ist vom ehemaligen VfB-Stürmer, nachdem der die Zusammenarbeit für beendet erklärt hat. Aber es ist ihm anzusehen.

Uli Hoeneß wollte Förster nach München holen

Der Wendepunkt am Marienplatz ist erreicht. Es geht gleich wieder aufwärts – auch mit der Stimmung. „Mensch Karlheinz, dass ich dich hier treffe.“ Für dieses mittelgroße Hallo sorgt der SWR-Sportradiomann Günther Schroth, der am Marienplatz zufälligerweise in die Zahnradbahn steigt. „So, jetzt lasse ich euch aber schnell wieder in Ruhe“, sagt Günther Schroth. Karlheinz Förster sagt: „In Ordnung, ich muss mich jetzt auch auf meine Karrierehöhepunkte konzentrieren.“ Und dann erzählt er von seinen Anfängen beim VfB. Wie er 1977 als 18-Jähriger mit dem VfB in die Bundesliga aufstieg. Über die Fußballeuphorie in Stuttgart, die unter dem Trainer Jürgen Sundermann entfacht wurde und ihren Höhepunkt 1984 mit der Deutschen Meisterschaft hatte. Zuvor war Karlheinz Förster mit deutschen Fußballnationalmannschaft 1980 schon Europameister geworden. Und irgendwann saß auch der Bayern-Manager Uli Hoeneß auf dem elterlichen Sofa, um den Stuttgarter Star nach München zu lotsen. Vergebens.

„Ich wollte eigentlich nie weg aus Stuttgart, bis 1986 dieses Angebot aus Marseille kam“, sagt Förster. Die Hafenstadt ist ihm ans Herz gewachsen. Wurde er in Deutschland „der Treter mit dem Engelsgesicht“ genannt, steigt er in Südfrankreich zum „König von Marseille“ auf. Hier wird er Meister und Pokalsieger, hier kommt eines seiner drei Kinder zur Welt. Und hier wird er für kurze Zeit französischer Staatsbürger. „Der damalige Olympique-Präsident Bernard Tapie bat mich darum, um einen Ausländerplatz für Ghanas großen Mittelfeldstar Abédie Pelé frei zu machen.“

Wehmütig klingen Karlheinz Försters Erinnerungen nicht. Er lebt nicht in der Vergangenheit, und deshalb will er sich nach der Ankunft in Degerloch noch ein bisschen über die Zukunft unterhalten. Über die Spieler, die er berät, zu denen zum Beispiel der Stuttgarter Timo Werner, Aaron Hunt aus Bremen und Sebastian Rudy von 1899 Hoffenheim gehören.

„Ich brauche jetzt unbedingt einen Kuchen“, sagt Karlheinz Förster und steuert, nachdem er aus der Zahnradbahn ausgestiegen ist, zu Fuß das Café Lang in der Degerlocher Epplestraße an. „Mal schauen, ob die ohne Sonnenblumenöl backen“, sagt Förster, als er durch das Fenster hindurch die Kuchenauslage inspiziert. „Ich reagiere allergisch und sehe mittlerweile einem Kuchen an, ob Sonnenblumenöl drin ist.“

Das Café Lang besteht den Förster’schen Sonnenblumenöltest mit Bravour. Nach einer Joghurt-Sahne-Schnitte und einem Käsekuchen sagt Karlheinz Förster: „Danke für einen angenehmen Nachmittag.“ Danke gleichfalls.