Vor den Demos für und gegen Legida in Leipzig am Mittwoch gab es Brandanschläge, danach Tumulte. Zwar waren weniger Islamgegner gekommen als gedacht – dafür aber umso radikalere.

Leipzig - Der Mittwochabend zeigte sehr deutlich: Leipzig ist nicht Dresden und Legida nicht Pegida. Beides kam nicht überraschend, wies doch schon die deutlich höhere Polizeipräsenz auf signifikante Unterschiede zwischen den beiden sächsischen Metropolen hin. So übertraf einerseits der Widerstand von über 20 000 Leipzigern, auf den die aus mehreren Bundesländern angereisten „Abendlandverteidiger“ in der Messestadt stießen, deutlich die Zahl der geschätzten 15 000 Islamkritiker – wobei sich indes auch das traditionell starke linksautonome Lager in Leipzig erneut sehr gewaltbereit zeigte.

 

Andererseits hatte sich auch zur Legida-Kundgebung auf dem Leipziger Augustusplatz – genau an der Stelle, die im Jahr 1989 die machtvollen Montagsdemonstrationen erlebt hatte – eine auffallend gewaltbereite und fast durchweg männliche Menge versammelt. Die Polizei sprach von einer „völlig anderen Qualität“ an Aggressivität, die die Sicherheitskräfte wohl noch länger beschäftigen werde als die „Spaziergänge“ in Dresden. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sah seine Stadt schon am Nachmittag im Ausnahmezustand. „Ich muss zugeben, dass ich etwas nervös bin.“

Den Zugang zum Augustusplatz blockierten Tausende Legida-Gegner. Anhänger der Islamkritiker wurden mit Trillerpfeifen und „Haut ab, haut ab“-Rufen empfangen und am Weiterkommen gehindert. 15 000 Legida-Anhänger versammelten sich schließlich auf dem Augustusplatz zum abschließenden Aufzug über einen Teil des Innenstadtrings.

Vereinzelt Tumulte

Insgesamt waren 19 Gegenkundgebungen angemeldet. Immer wieder kam es, wenn die mit mehr als 4000 aus Beamten aus ganz Deutschland anwesende Polizei nicht schnell genug war, schon vorab zu kleinen Scharmützeln zwischen beiden Lagern, teils brannten auch Mülltonnen in den Zufahrtsstraßen zur Innenstadt. Am Nachmittag hatten Unbekannte auf die Bahnstrecke zwischen Dresden und Leipzig zwei Brandanschläge verübt. Der Fernverkehr musste daher umgeleitet werden. Auch auf die S-Bahn gab es Anschläge. Nach der Absage der Dresdner Pegida-Demonstration am Montag waren zahlreiche Demonstranten aus der Landeshauptstadt in Leipzig erwartet worden.

Beim Abmarsch der Legida-Anhänger kam es vereinzelt zu Tumulten. Es flogen Böller und Flaschen, Journalisten wurden angegriffen. Mehrere Polizisten wurden verletzt. Die Polizei nahm drei Randalierer in Gewahrsam. „Es ist tatsächlich so, dass wir im Abgang Probleme bekommen haben, die Lager zu trennen“, sagte ein Polizeisprecher.

Viele Hooligans gesichtet

Unter den meist jüngeren und männlichen Legida-Anhängern zwischen 20 und Mitte 30 machten die Sicherheitskräfte viele Hooligans sowie Mitglieder der rechten Szene aus. In der Masse waren auch viele Fahnen rechtsradikaler Gruppen aus mehreren Bundesländern – bis hin nach Nordrhein-Westfalen – auszumachen. So verwunderte es nicht, dass Pegida kurz vor Beginn der Veranstaltung erklärt hatte, ihren Ableger Legida – er hatte zuvor mit 40 000 bis 60 000 Mitläufern gerechnet – auf Unterlassung zu verklagen, in ihrem Namen sprechen zu dürfen.

Für die Aggressivität von Legida, das auch in seinen Forderungen zur Ausländerpolitik weitaus rigider als die Dresdener Vereinigung wirkt, sprachen auch tätliche Angriffe gegen Pressefotografen. So stürzten sich rund 50 Männer aus dem Legida-Block auf die vor ihnen laufenden Journalisten. Ein Fotograf wurde dabei zu Fall gebracht und seine Kameraausrüstung am Boden zertreten. Die sonst allgegenwärtige Polizei unterband die Attacken zunächst nicht, trennte dann schließlich aber die Leute, ohne jedoch Personalien der Angreifer aufzunehmen. Ein Mann, der sich dem rechten Zug mit einer Regenbogenfahne in den Weg zu stellen versuchte, konnte dann aber durch das rechtzeitige Eingreifen der Polizei vor Schlimmeren bewahrt werden.

Damit will Pegida nichts zu tun haben

Viele Geschäfte im Zentrum hatten wegen der Demonstrationen vorzeitig geschlossen. Am Nachmittag hatte es zwei Brandanschläge auf die Bahnstrecke Dresden-Leipzig gegeben. Im Leipziger Hauptbahnhof musste fast die Hälfte der Gleise gesperrt werden, es kam zu Verspätungen. Am Abend legten zwei weitere Brandanschläge an Stationen des Leipziger Citytunnels zwei Stunden lang den S-Bahn-Verkehr.

Die Stadt Leipzig schaltete als Zeichen des Protests gegen Legida die Außenbeleuchtung markanter Gebäude ab.

Zwischen Pegida und Legida bahnte sich am Mittwoch ein neuer Konflikt an: Pegida-Sprecherin Oertel kündigte an, eine Unterlassungsklage zu prüfen, da sich die Legida-Organisatoren bislang geweigert hätten, den Forderungskatalog von Pegida zu übernehmen. „Alles, was heute Abend in Leipzig gesagt und gefordert wird, ist nicht mit uns abgesprochen. Das kann sich für die einheitliche Wahrnehmung unserer Bewegung als kontraproduktiv erweisen“, so Oertel.

Die Personalie Bachmann

Fast zeitgleich trat Lutz Bachmann, Mitgründer und Chef der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), von seinen Ämtern zurück – gegen ihn wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Zuvor waren ein Foto Bachmanns mit Hitler-Bärtchen und ausländerfeindliche Facebook-Postings des 41-Jährigen öffentlich geworden.

Bachmanns „Hitler“-Foto und die ausländerfeindlichen Facebook-Postings hatten eine Welle der Empörung ausgelöst. Am Abend zog der Pegida-Chef die Konsequenzen. „Es tut mir leid, dass ich damit den Interessen unserer Bewegung geschadet habe“, erklärte er. Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte zuvor Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung aufgenommen. In den Posts bezeichnete Bachmann Ausländer als „Viehzeug“, „Gelumpe“ und „Dreckspack“.

„Die jetzt bekanntgewordenen Facebook-Postings Lutz Bachmanns vom September weisen wir als Verein aufs Schärfste zurück“, erklärte Pegida-Sprecherin Oertel. „Sie tragen nicht dazu bei, Vertrauen zu den Zielen und Protagonisten von Pegida zu entwickeln.“ Bachmann ergänzte in der schriftlichen Mitteilung: „Es waren unüberlegte Äußerungen, die ich so heute nicht mehr tätigen würde.“ Das Foto hatte er zuvor als Spaß bezeichnet und zu entschuldigen versucht.

Die rechtskonservative AfD begrüßte Bachmanns Rücktritt. „Er hat mit seinen traurigen Äußerungen und ekelhaften Scherzen die Menschen von Pegida, die getrieben von ehrlichen Sorgen auf die Straße gehen, beschämt“, sagte ein Sprecher. Die AfD hatte in den vergangenen Wochen Kontakt zur Pegida-Bewegung gesucht. Einer öffentlichen Begegnung mit Bachmann ging die AfD-Spitze jedoch aus dem Weg.

Bachmann unter Polizeischutz

Nach Morddrohungen von Islamisten befindet sich Bachmann unter Polizeischutz. Wegen der Terrorgefahr hatte die Dresdner Polizei die für vergangenen Montag geplante Pegida-Kundgebung und alle weiteren öffentlichen Versammlungen in der Stadt untersagt. Bachmann hatte die Anhänger des Bündnisses deshalb zur Teilnahme an der Kundgebung des Leipziger Pegida-Ablegers am Mittwochabend aufgerufen.