Mehr als 60 Lehrkräfte von Werkrealschulen haben an der Bismarckschule gegen „Blockade und ungerechte Bezahlung“ protestiert. Aufgerufen zu der Aktion hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Feuerbach - Aus ganz Stuttgart sind sie gekommen, aus den verbliebenen sieben Werkrealschulen (WRS) der Stadt. Auch ein Kollege aus Calw hat sich zur Demonstration an der Bismarckschule eingefunden, zu der die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aufgerufen hatte. Diesmal aber haben sie keine Demo-Plakate gemalt, hatten auch nicht kollektiv Versetzungsanträge vorbereitet wie in einer spektakulären Aktion im Januar dieses Jahres. Stattdessen sind sie aufs Dach gestiegen, haben Lichterbecher angezündet und als Gruppe ein großes „JA 13“ geformt – und die Aktion per Drohnenkamera professionell aufgenommen: „Wir wollen endlich sichtbar werden mit unserer Forderung, wir wollen zeigen, dass da keine Nummern und Kostenstellen sind, sondern dass da Menschen dahinterstehen“, sagt Julian Maus.

 

In seiner geschützten Funktion als GEW-Vertrauensmann sagt er auch, was viele denken, aber nur hinter vorgehaltener Hand sagen: „Wir werden hier als Resterampe betrachtet, als Endstation für Schülerinnen und Schüler, um die sich sonst niemand mehr kümmern will. Und dann werden wir auch noch als Lehrer zweiter Klasse behandelt und bezahlt! Diese Ungerechtigkeit wollen wir nicht akzeptieren!“

Nach der Besoldungsstufe A12 ist Schluss

Worum es geht: Für Lehrkräfte an Werkrealschulen ist nach der Besoldungsstufe A12 Schluss. Sie wollen aber A13, wie Realschullehrer, Sonderschulpädagogen und Lehrkräfte von Gemeinschaftsschulen. Das macht, je nach Dienstjahren, einen Unterschied von bis zu 500 Euro im Monat. Frisch von Studium und Referendariat kommende Kollegen bekommen auch bereits A13: „Sie bekommen es sogar schon im Referendariat“, sagt Doro Moritz, die Landesvorsitzende der GEW. Das führe zu der „absurden Situation, dass junge, mit A13 besoldete Kolleginnen und Kollegen von Dienstälteren ausgebildet werden, die A12 bekommen und keine Chance auf A13 haben. Mal von der Ungleichbezahlung im Kollegium abgesehen. Bei gleicher Arbeit! Das können wir, das dürfen wir nicht akzeptieren“.

Hinzu kommen zwei weitere Faktoren: 2009 hatte die Landesregierung pauschal 20 Prozent aller Lehrkräfte an Werkrealschulen auf A13 befördert: „Und die anderen lässt sie am ausgestreckten Arm verhungern“, sagt Moritz. Dies in Kombination mit einer „Blockadepolitik bei der Qualifizierung“. Das ist der zweite Faktor: Per Weiterqualifizierung mit entsprechenden Prüfungen und Lehrproben könnten WRS-Lehrkräfte den Zugang zu A13 bekommen. Doch diese Weiterbildung wird den Betroffenen nicht erlaubt: „Obwohl sie versprochenen war“, sagt Moritz. Eine Nebenfolge: Von 100 Weiterbildungsplätzen, die an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg vorgehalten werden, sind aktuell nur 20 besetzt. Maus nennt das „einen zynischen Umgang mit uns“, was für das Kollegium der Bismarckschule gleich doppelt gelte: „Wir sollten Gemeinschaftsschule werden, haben unzählige unbezahlte Überstunden da reingesteckt. Und dann wurde uns gesagt: Ihr werdet keine Gemeinschaftsschule, ihr seid die am besten funktionierende WRS von ganz Stuttgart. Hätten wir schlechte Arbeit gemacht, dann wären wir jetzt wohl da, wo wir sein wollen und sein müssten.“ Sein Schluss: „Mit Gerechtigkeit hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Kein Mensch mit Verstand und Vernunft begreift das!“ Die Forderung sei deshalb: „Wir wollen das Recht auf Fortbildung! Es geht ums Prinzip!“

Keinerlei Aussicht auf berufliche Entwicklung

Aufs Abstellgleis gestellt sieht sich auch seine Kollegin Jasmin Peuker: „Ich habe zwei kleine Kinder, noch 24 Berufsjahre vor mir, aber keinerlei Aussicht auf berufliche Entwicklung. Das ist extrem frustrierend, denn wir arbeiten auch in einem Bereich, der besonderes Engagement erfordert. Denn wir sind ja auch Sozialarbeiter, Berufsberater oder Elternersatz.“ Dabei fügt sie einen weiteren Aspekt hinzu: „Wenn es um Gymnasiasten ginge, wäre die Elternschaft wegen unserer Situation längst auf den Barrikaden. Wir aber arbeiten mit den Schwächsten der Gesellschaft. Wir haben Kinder, die sich nicht wehren können, von Eltern die sich nicht wehren oder ebenfalls nicht wehren können. Und dann denkt man, dass wir uns auch nicht wehren würden. Das ist eine Frechheit!“, sagt Peuker und fügt hinzu: „Wer soll sich denn um diese Kinder kümmern? Wir halten die Stellung, und das wird nicht gesehen und auch nicht anständig bezahlt. Aber wir lassen nicht locker!“