Stefan Volzer, Hürdensprinter aus Fellbach, sieht sich bei den Jugend-Weltmeisterschaften in Nairobi wegen der Anschlagsgefahr auf Schritt und Tritt begleitet und beschützt.

Rems-Murr: Thomas Rennet (ren)

Fellbach - Wenn Stefan Volzer die Kenyatta-Universität in Nairobi verlassen will, in der er mit all den anderen Leichtathleten wohnt, dann nehmen ihn schwer bewaffnete Männer in Obhut. Wohin auch immer die Teilnehmer an den Jugend-Weltmeisterschaften mit ihren Sportutensilien aufbrechen, ob zum Aufwärmen oder an die Wettkampfstätte, dem größten Stadion Kenias: Sie sind nicht allein. Eine Militäreskorte begleitet und beschützt sie auf allen Wegen. Vorneweg fährt ein Geländewagen mit Soldaten, im Bus dahinter sitzen mit Sportlern und Trainern ebenfalls noch Uniformierte. „Ich finde diese Präsenz echt gut hier. Das gibt schon ein Gefühl der Sicherheit“, sagt Stefan Volzer, für den die Titelkämpfe an diesem Donnerstag beginnen werden. Um 11.45 Uhr deutscher Zeit starten die Vorläufe über 110 Meter Hürden – mit dem 16-Jährigen aus Fellbach.

 

Seine Mitschüler am Friedrich-Schiller-Gymnasium sind nun in Berlin, Paris oder London. Stefan Volzer hat die Studienfahrt ausgelassen. Er hat sich in dieser Freiluft-Saison auf flinken Beinen für eine Reise mit entlegenerem Ziel qualifiziert. Im Sommer des vergangenen Jahres noch hatten Verletzungsprobleme seine Pläne vom rasanten Antritt bei den U-18-Europameisterschaften in Georgien zerstört. Jetzt ist er gesund. Jetzt ist er bei den Weltmeisterschaften. Jetzt ist er in Nairobi. Jetzt erlebt er Außergewöhnliches – in vielerlei Hinsicht.

Auch Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland oder die Schweiz sagten wegen Sicherheitsbedenken ihre sportliche Präsenz in Ostafrika ab

Mehrere Nationen haben darauf verzichtet, ihre jungen Sportler mit Flugtickets nach Kenia auszustatten. Der US-Leichtathletik-Verband USATF entschied sich schon im Januar gegen eine Teilnahme an den Jugend-Weltmeisterschaften, verwies dabei in einem öffentlichen Schreiben auf die hohe Verbrechens- und Terrorismusrate im Ausrichterland. Auch Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland oder die Schweiz sagten wegen Sicherheitsbedenken ihre sportliche Präsenz in Ostafrika ab. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat sich – wie viele andere – für die abenteuerliche Exkursion ausgesprochen.

Das Gastgeberland sieht im August Wahlen entgegen, was traditionell Unruhen heraufbeschwört. Zudem übt die islamistische Terrormiliz al-Schabab Anschläge aus, zuletzt erst wieder vor wenigen Tagen, als sie – auch mit Maschinenpistolen und Raketenwerfern – an der Grenze zu Somalia Dörfer angriff. Am Samstag sind dabei mindestens neun Menschen getötet worden, örtlichen Medienberichten zufolge sollen die Opfer enthauptet worden sein.

Mit dieser Zeit wird er in seiner Disziplin hinter dem famosen Jamaikaner De’Jour Russell (13,31 Sekunden) und zwölf anderen auf Platz 14 der U-18-Weltbestenliste geführt

Am Sonntag versammelte sich der deutsche Leichtathletik-Tross in Frankfurt, um gemeinsam nach Nairobi zu fliegen, von den Anschlagsorten an der Küste knapp 500 Kilometer entfernt. „Wir sind gut angekommen und fühlen uns in der Universität sicher“, sagt Stefan Volzer. Am Dienstag war der Hürdensprinter, der daheim für den VfB Stuttgart läuft, schon einmal zur Besichtigung im Kasarani-Stadion, das rund 60 000 Zuschauern Platz bietet. Am Donnerstag will er beim – vorläufigen – Höhepunkt seiner Laufbahn erstmals auf der Laufbahn glänzen. „Mein Primärziel ist der Einzug ins Finale“, sagt Stefan Volzer. Dafür muss er im Vorlauf am Donnerstag und im Zwischenlauf am Freitagnachmittag schnell genug sein. Der Endlauf folgt dann am Freitagabend um 18.35 Uhr. „Ich bin gut in Form. Mal schauen, was geht. Eine Medaille wäre natürlich schon ein Traum“, sagt der Fellbacher, der in dieser Saison eine Bestmarke von 13,66 Sekunden über die 110 Meter Hürden vorweisen kann.

Mit dieser Zeit wird er in seiner Disziplin hinter dem famosen Jamaikaner De’Jour Russell (13,31 Sekunden) und zwölf anderen auf Platz 14 der U-18-Weltbestenliste geführt. Aber die meisten von ihnen sind kaum voraus, die meisten von ihnen trennen weniger als zwei Zehntel von Stefan Volzer. Und ohnehin sind nicht alle da in Nairobi, in der Kenyatta-Universität, um am Donnerstag in Begleitung schwer bewaffneter Männer zum ersten Vergleich über die zehn Hürden ins Stadion zu gelangen.