Drei Leichtathleten aus dem Rems-Murr-Kreis treten bei der Europameisterschaft in Berlin an. Die Wettkämpfe im eigenen Land sind etwas Besonderes für die jungen Sportler – und das nicht nur, weil sie zum ersten Mal dabei sind.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Schorndorf/Waiblingen - Für Hanna Klein, Marcel Fehr und Alina Kenzel ist es ein Debüt der besonderen Art: Die drei Leichtathleten aus dem Rems-Murr-Kreis nehmen in der kommenden Woche an der Europameisterschaft in Berlin teil – zum ersten Mal in ihrer sportlichen Karriere.

 

„Es ist ein riesiges Geschenk, bei einer EM im eigenen Land dabei sein zu können. Nicht alle Athleten haben diese Chance“, sagt Marcel Fehr. Der Läufer der SG Schorndorf wird über 5000 Meter antreten. „Es gibt keine Vorläufe, sondern es geht direkt ins Finale – da geht es gleich um alles“, erklärt der 26-Jährige. Dann gelte es, taktisch gut zu laufen und abzurufen, was er trainiert habe. „Man muss realistisch sein: In der Startliste stehe ich relativ weit hinten, ich werde nicht im vorderen Bereich mitlaufen.“

Dennoch: Fehr will sein Bestes geben und gleichzeitig die besondere Stimmung genießen. „Es kommen ganz viele Vereinskollegen, Freunde, die Familie und mein Trainer Uwe Schneider“, berichtet er. Und noch etwas macht die EM für Fehr, der an der Universität Hohenheim Management im Master studiert, besonders: Seine Freundin Hanna Klein startet ebenfalls.

Spannende Wettkämpfe

„Das wird richtig spannend“, sagt die 25-jährige Läuferin der SG Schorndorf, die über 1500 Meter an den Start geht. Sie erwartet einen Lauf, der stark taktisch geprägt sein und erst auf den letzten 500 Metern entschieden werden wird. So sei es zumindest bisher meistens gewesen. „Man muss wach sein, wenn es schnell wird – und ein Quäntchen Glück haben“, meint die Psychologie-Studentin.

Um sich vor den Wettkämpfen nicht verrückt zu machen, setzt sie auf Abstand und Ablenkung: „Ich versuche, vorher nicht ins Stadion zu gehen, stattdessen lese ich lieber ein Buch oder erkunde die Stadt“, verrät sie. „Berlin finde ich sehr cool.“ Genau wie Fehr und Kenzel befindet sie sich bereits in der Hauptstadt. Kleins Ziel ist es zunächst, sich für das Finale zu qualifizieren.

Das strebt auch Kugelstoßerin Alina Kenzel vom VfL Waiblingen an. „Und dann mal schauen – auf jeden Fall mitnehmen, was geht“, sagt die 20-Jährige. „Ich freue mich auf das Olympiastadion, auf den Wettkampf mit dieser Kulisse und der Familie im Publikum – das ist schon außergewöhnlich.“

Die Weltrekorde von Bolt 2009 miterlebt

Auch für Hanna Klein ist die EM im eigenen Land etwas Besonderes: „Ich glaube, die deutsche Mannschaft ist noch nie so groß gewesen – es sind mehr als hundert Athleten. Und dass so viele Freunde und Verwandte im Stadion im Publikum sitzen werden, wird bestimmt für ein Gänsehautgefühl sorgen.“

Eine Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Deutschland hat die Läuferin bereits erlebt – ebenfalls in Berlin, im Jahr 2009. Damals saß sie als Schülerin im Publikum, als Usain Bolt seine Weltrekorde aufstellte. „Das war richtig cool. Dass ich selbst mal auf der anderen Seite dabei sein werde, war damals nicht absehbar. Ich bin sehr neugierig, wie es sein wird.“

Was Klein 2009 ebenfalls nicht wusste, war, dass auch ihr zukünftiger Freund die Weltmeisterschaft im Olympiastadion verfolgte. „Damals kannten wir uns noch gar nicht“, erinnert sich Marcel Fehr, der nach der EM mit Klein eine Reise nach Kanada unternimmt. Doch jetzt stehen erst mal die Wettkämpfe an. Angesichts der Temperaturen ist Fehr froh, dass sein Finale erst um 21 Uhr beginnt. „Derzeit trainiere ich noch ganz normal, und gegen 16, 17 Uhr ist es der Horror“, berichtet er.

Hanna Klein bestätigt das: „Bei der Hitze ist es richtig anstrengend. Viel trinken oder ein kühles Handtuch um die Schultern helfen.“ Kurz vor den Qualifikationsläufen Anfang der Woche versucht die 25-Jährige momentan vor allem, zur Ruhe zu kommen und Kraft zu sammeln.

Hinter dem Erfolg steckt ein Team

Alina Kenzel trainiert noch ganz normal und versucht, sich an die Temperaturen zu gewöhnen. „Hier ist alles sehr gut organisiert, wir werden ausreichend mit Wasser versorgt“, sagt sie. Die Stimmung unter den Athleten in Berlin sei gut – „man kennt ja schon einige Leute“. Ihre Nervosität halte sich bislang in Grenzen. „Die wird noch steigen. Allerdings empfinde ich vor allem Vorfreude“, sagt die Kugelstoßerin. Die Freude am Sport steht auch bei Fehr und Klein im Vordergrund. „Der Sport gehört einfach zu meinem Alltag dazu und gibt mir so viel zurück“, betont Klein. Sie genießt das Training in der Gruppe – „dass wir uns gegenseitig anfeuern und gemeinsam Ziele erreichen.“ Ihr Freund Marcel Fehr bestätigt das: „Bei einer Individualsportart wie Laufen kommt das leider oft nicht so raus, aber an dem Erfolg wirken viele Leute mit: Hauptsächlich natürlich unser Trainer Uwe Schneider, aber auch Physiotherapeuten, Vereinskameraden, Sponsoren, der Landesverband und die Familie“, zählt der 26-Jährige auf.

„Die Familie und die Trainingsgruppe sind für mich immer die größte Unterstützung“, sagt Alina Kenzel. Vor den Wettkämpfen sitzt sie mit den Teamkollegen meistens noch auf einen Kaffee zusammen. Und so treten die drei Leichtathleten bei der Europameisterschaft, auf die sie lange hingearbeitet haben, zwar jeder für sich, aber doch nicht alleine an.

Die EM in Berlin

Teilnehmer:
An der EM im Berliner Olympiastadion vom 6. bis 12. August nehmen 1572 Athleten aus 49 Ländern teil. Darunter sind 30 neutrale Athleten. Dies sind russische Sportler, die vom Leichtathletik-Weltverband IAAF eine Ausnahmestartgenehmigung erhalten haben. Die IAAF hatte den russischen Verband 2015 wegen des Doping-Skandals suspendiert.

National:
Das deutsche Team besteht bei dieser Europameisterschaft aus 125 Athleten – so vielen wie nie zuvor in der Geschichte des deutschen Leichtathletik-Verbandes.