Der Leichtathletik-Weltverband IAAF benötigt einen Neustart und den Austausch aller Personen, meint der StZ-Sportredakteur Tobias Schall nach der Veröffentlichung des zweiten Reports der Welt-Antidopingagentur Wada.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Der Fisch stinkt vom Kopf her, weil dort das leicht verderbliche Gehirn sitzt und nach langer Lagerung entsprechende Düfte absondert. Lamine Diack war von 1999 bis 2015 das Gehirn des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, das Gebaren des mittlerweile 82-Jährigen hat schon viele Jahre ein G’schmäckle gehabt, es muffelte kräftig im Umfeld des wunderlichen Senegalesen, und nun stinkt es final zum Himmel. Die Welt-Antidopingagentur kommt zu dem Schluss, dass die IAAF im Kampf gegen Doping und Korruption komplett versagt habe und Diack hauptverantwortlich für die „Organisation und Ermöglichung der Verschwörung“ gewesen sei.

 

Der Fisch stinkt von oben bis unten.

Mutige Whistleblower bringen den Skandal ans Tageslicht

Viele Sportfans haben sich längst an die Skandale in internationalen Verbänden gewöhnt und nehmen sie schulterzuckend zur Kenntnis. IAAF. Fifa. IOC. Man erwartet doch schon nichts anderes mehr.

Dieser Fall ist in seiner Dimension aber noch einmal besonders: Hier haben sich nicht nur skrupellose Funktionäre bereichert, sondern der Kern der Sportart wurde von Diacks korrupter Clique manipuliert: Dopingfälle wurden gegen Barzahlung vertuscht, Sperren ausgesetzt oder gar nicht erst ausgesprochen, mit dem Ergebnis, dass gedopte Athleten weiter starten konnten.

Das einzig Gute ist, dass der Skandal dank mutiger Whistleblower endlich ans Tageslicht gekommen ist und das korrupte System zu implodieren scheint. Das groteske Paralleluniversum „Sportverbände“ kehrt langsam in die reale Welt zurück.

Nichts wissen? Nichts hören? Nichts sagen?

Wer hat versagt? Alle. Die Wada spricht von einer kollektiven Schuld. Schuldig sind also auf gewisse Art auch all jene, die vielleicht nicht direkt an der Korruption und dem Betrug beteiligt gewesen sind, aber seit Jahrzehnten in der IAAF tätig sind oder Ämter innehatten. Das gilt für den heutigen IAAF-Präsidenten Sebastian Coe genauso wie für all die anderen langjährigen Spitzenfunktionäre wie Helmut Digel.

Nichts wissen? Nichts hören? Nichts sagen? Lord Coe soll den Neuanfang nach dem moralischen und strukturellen Bankrott führen. Nach seiner Wahl 2015 sagte er: Diack werde immer „mein spiritueller Präsident sein“. Der Fisch stinkt weiter.