Anwohner aus Leinfelden-Echterdingen ärgern sich über Flixbusse, die stundenlang auf einem Parkstreifen stehen. Dass die Fahrzeuge dort pausieren, hat allerdings einen Grund. Das erzählt einer, der es wissen muss.

Oberaichen - Im Restaurant Pavarotti in Oberaichen sitzen gegen 19 Uhr zwei Männer und trinken nach dem Essen einen Espresso. Sie sind bereits früh am Abend ins Restaurant gekommen, weil sie noch viel vorhaben. Was, das zeigt eine grüne Flixbus-Jacke über einem der Stühle. Die beiden Männer sind Busfahrer für das italienische Unternehmen Dibiasi aus Südtirol, das wiederum seine Liniendienste von und nach Stuttgart unter der Marke Flixbus anbietet.

 

Ihre Tour beginnt um 20.50 Uhr am Stuttgart Airport Busterminal (SAB) am Flughafen, nur wenige Kilometer vom Restaurant entfernt. Zwölf Stunden später soll der Bus nach gut 825 Kilometern Fahrt laut Plan die Endstation im südfranzösischen Nizza erreichen. Ihren Bus sehen die Fahrer durch die Restaurant-Fenster nicht. Denn sie parken ihn neuerdings auf der anderen Seite der S-Bahn-Gleise. Das hat einen Grund: Immer wieder haben sich Anwohner des nahen Wohngebiets darüber beschwert, wenn die Fahrer ihren Bus tagsüber auf dem Parkstreifen der Hans-Holbein-Straße abgestellt hatten. Dort dürfen Fahrzeuge zwischen 8 und 18 Uhr nur zwei Stunden mit Parkscheibe stehen. Der Flixbus parkte dort aber den ganzen Tag.

Der Flixbus versperre die Sicht und sei deshalb eine Gefahr

Die Kommunalpolitikerin Ilona Koch (CDU) hat unsere Zeitung im November darauf aufmerksam gemacht, dass dort immer wieder ein Flixbus steht. Ihrer Meinung nach versperrt dieser die Sicht und sei für Radfahrer gefährlich. „Wenn da ein großer Bus steht, ist die Kreuzung schlecht einzusehen“, sagte Koch im November. Sie fragte sich, warum die Fahrer ihren Wagen nicht einfach am Busterminal am Flughafen abstellen. Schließlich gebe es dort Busparkplätze.

Die beiden Fahrer im italienischen Restaurant wissen, dass die Anwohner über sie und den grünen Flixbus sprechen. Erst sind sie skeptisch, doch dann erzählt einer seine Version der Geschichte. „Wir haben in Oberaichen ein Zimmer gemietet, in dem wir tagsüber schlafen können“, sagt einer von ihnen. Er erhofft sich mehr Verständnis für sie als Busfahrer. „Wir stellen hier ja nicht nur den Bus ab, sondern wir schlafen hier, gehen ins Café und ins Restaurant“, erzählt er und nimmt einen Schluck Espresso. Sie sind also alle zwei Tage für gut zwölf Stunden Oberaichener und schätzen den Ort: „Manche von uns gehen gleich ins Bett, andere gehen ein paar Stunden im Wald spazieren und legen sich dann hin. Das ist ganz unterschiedlich.“ Nur das Parken sei schwierig. „Wir haben keine Alternative und müssen den Bus hier in Oberaichen irgendwo abstellen“, sagt der Fahrer. Auch aufgrund der Länge des Fernbusses komme nicht jeder Parkplatz in Frage. Aus seiner Sicht störe der Wagen auch nicht: „Wir machen ja hier keinen Lärm, sondern parken nur.“ Darum kann der Mann die Aufregung nicht ganz verstehen. „Wir transportieren schließlich auch Fahrgäste von hier.“ Gerade innerhalb von Deutschland stiegen immer wieder Passagiere ein und aus. Denn der Bus stoppt auf dem Weg von und nach Stuttgart noch in Tübingen und Villingen-Schwenningen.

Der Bus ersetze etwa 20 Autos

Auf der Strecke weiter in die Schweiz und über Italien nach Nizza an der Côte d’Azur ersetze der Bus etwa 20 Autos und werde gut angenommen. „Mit uns fahren ganz unterschiedliche Leute, wie Kreuzfahrtpassagiere und Geschäftsleute.“ Die Fahrer pendeln eine Woche zwischen dem Stuttgarter Flughafen und Nizza, dann haben sie eine Woche komplett frei.

Das Parken am Stuttgarter Busbahnhof würde, wie ein Flixbus-Mitarbeiter für Politik-Kommunikation auf Anfrage von Koch mitteilt, für zehn Stunden etwa 355 Euro kosten. Karsten Lenz, der Teamleiter des Busbahnhof-Betreiberfirma DTG Deutsche Touring am SAB, nennt allerdings einen anderen Preis: Es koste nur fünf Euro pro Stunde, also 55 Euro für elf Stunden. Die meisten Linien von der Deutschen Touring und den Partnerlinien Eurolines endeten nicht in Stuttgart, so dass keine Parkplätze nötig seien. „Wo die Flixbusse der bei uns endenden Linien während der Ruhepausen stehen, wissen wir nicht“, sagt der Teamleiter.

Am nächsten Morgen sind sie in Nizza

Eine Kollegin von Lenz aus der DTG-Zentrale in Frankfurt, die dort als Sprecherin arbeitet, ordnet das Thema Busparken generell ein: „Fernbusanbieter wollen die Fahrgastpreise niedrig halten. Darum leisten sie es sich nicht, dort länger zu stehen.“

Als die Fahrer ihren Espresso im Restaurant Pavarotti in Oberaichen getrunken haben, packen sie zusammen und gehen durch die Bahnunterführung zum Flixbus, den sie nun im Gewerbegebiet abstellen. Anderthalb Stunden später begrüßen sie die ersten Fahrgäste am Busbahnhof am Flughafen auf der Filderebene, und am nächsten Morgen werden sie Nizza an der Côte d’Azur erreichen.