In den Schelmenäcker in Leinfelden sollen Wohnungen für bis zu 600 Menschen entstehen. Bevor dort aber die Bagger anrücken können, müssen kulturelle Schätze aus dem Baugrund geborgen werden. Die Stadt nimmt dafür viel Geld in die Hand.

Leinfelden-Echterdingen - Wie lebten die ersten Siedler von Leinfelden? Wie sahen ihre Dörfer und Häuser aus, wie wurde in der frühen Jungsteinzeit Ackerbau betrieben? Scherben, die noch im Erdreich des geplanten Neubaugebietes Schelmenäcker schlummern, werden neue Erkenntnisse zu diesen Fragen liefern. Eine Fachfirma soll diese archäologischen Schätze bereits im Frühsommer aus dem Untergrund bergen. So soll sichergestellt werden, dass die beiden Bauträger, die in diesem Gebiet Wohnungen für bis zu 600 Menschen bauen wollen, rechtzeitig beginnen können.

 

„Für den Juni ist eine großflächige Rettungsgrabung über eine zusammenhängende Fläche von zwei Hektar geplant“, erklärt Jörg Bofinger, der zuständige Referatsleiter vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Ein Bagger wird dafür zunächst den Oberboden in Streifen abtragen. Im sogenannten gewachsenen Boden, der darunter liegt, „werden sich dann die archäologischen Befunde dunkler abzeichnen“, sagt er. Der Experte „ist guter Hoffnung“, wie er sagt, dass bei diesen Arbeiten komplette Grundrisse der für die Jungsteinzeit typischen Langhäuser gefunden werden und möglicherweise ein einstiges Dorf in großen Teilen freigelegt und dokumentiert werden kann. „Das wird spannende und wichtige Einblicke in die frühe Besiedlung der Filderebene ergeben“, sagt er.

Auch Funde aus dem Mittelalter

Bereits im Februar hatten Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege die Erde in den Schelmenäckern sondiert. Die Archäologen haben dabei sehr gut erhaltene Strukturen einer Siedlung aus der Jungsteinzeit gefunden, die sich nördlich der Max-Lang-Straße bis an die S-Bahn-Trasse im Süden erstreckt. Spuren einer solchen großen Siedlung wurden bereits Anfang der 1990er Jahre im Zuge des S-Bahn-Baus entdeckt. Nun stießen die Experten auch auf eine bisher unbekannte, hochmittelalterliche Siedlungsstelle.

Bofingers Einschätzung nach, werden sich die neuen Funde in jedem Fall für eine kleinere Ausstellung – beispielsweise im örtlichen Stadtmuseum – eignen. Nach deren Bergung, werden die Einzelteile, sorgfältig beschriftet, in Tüten gesteckt. Um die frühe Siedlungsentwicklung nachvollziehen zu können, sei es wichtig, genau festzuhalten, wo die Funde zu Tage getreten seien. Sie werden dem Land übergeben und in einem zentralen Archiv in Rastatt für die Nachwelt gesichert. Laut Bofinger bietet es sich an, dass ein Doktorand diese dann wissenschaftlich ausgewertet. Die Stadt L.-E. hat die Bergung der kulturellen Schätze gerade ausgeschrieben. Die Kommune wird diese Arbeiten auch bezahlen müssen. Sie ist bereit, dafür 400 000 Euro auszugeben. Diese Summe hat der Gemeinderat laut Andrea Egner, der Leiterin des städtischen Amtes für Umwelt, Grünflächen und Tiefbau, freigegeben. Wegen der Corona-Krise hat die Stadtverwaltung die Fraktionen des Gemeinderats dazu einzeln befragt.

Ausgrabung trotz Corona-Krise

Die Arbeiten sollen trotz der Pandemie im Frühsommer starten. „Im Freien lassen sich die Abstandsregelungen eher einhalten“, sagt Jörg Bofinger. Die Mitarbeiter der Firma könnten im Schichtbetrieb arbeiten, getrennt in Pause gehen und auch einen Mundschutz tragen.

Das Landesdenkmalamt plant mit jenen Flächen zu starten, die in Sachen Wohnungsneubau in den Schelmenäcker als erstes dran sind. So sollen zeitliche Verzögerungen für die beiden Investoren verhindert werden. „Der eine Bauträger möchte diesen Herbst beginnen, der andere im Frühjahr 2021“, sagt Andrea Egner. Um diese Zeitpläne halten zu können, habe man die Ausgrabung auf den Sommer terminiert.