Vor 150 Jahren, am 22. April 1870, kam ein Mann zur Welt, der zu den wirkmächtigsten Politikern des 20. Jahrhunderts zählt. Er hieß Uljanow, wurde als Lenin berühmt und berüchtigt. Auf seinen Geburtstag wird kaum einer noch anstoßen. Seine Mumie ist aber immer noch Ziel vieler Pilger.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Wenn er erst als Greis gestorben wäre, würde man ihn vielleicht einen Popstar des Kommunismus nennen. Aber zu seinen Lebzeiten waren Popstars noch nicht erfunden. Populär ist er schon lange nicht mehr, gleichwohl einer der wirkmächtigsten Politiker des 20. Jahrhunderts. Den 150. Geburtstag von Wladimir Iljitsch Uljanow wird heute kaum jemand feiern – selbst die nicht, die wissen, dass er als Lenin berühmt wurde.

 

Lenin ist der Pate der Sowjetunion. Ohne ihn hätte die Oktoberrevolution 1917 nie stattgefunden, als der Kommunismus an die Macht kam und dann die halbe Welt erobert hat. Dazu hat ihm das Deutsche Kaiserreich verholfen, weil es dem Umstürzler ermöglichte, während des Ersten Weltkriegs in einem versiegelten Eisenbahnwaggon aus dem Schweizer Exil zurück nach Russland zu kommen. Politische Unruhen sollten den Kriegsgegner schwächen. So kam es dann auch.

Lenin traf den Nerv der russischen Landsleute, die überwiegend keine Proletarier, sondern arme Bauern waren. Sie wollten Frieden und eine Landreform. Seine Bolschewiki kamen durch eine Art Putsch an die Macht. Der eigentliche Sündenfall war Lenins Entscheidung, die Verfassungsgebende Versammlung gewaltsam aufzulösen. Damit war die Diktatur besiegelt.

Warum dieser Mann sich eigentlich Lenin nannte, bleibt ein Rätsel. Vielleicht in Anspielung auf den sibirischen Fluss Lena, wohin der Zar Verbannte schickte? Vielleicht in Erinnerung an sein Kindermädchen gleichen Namens? Lenin kam aus ärmlichen Verhältnissen, sein Vater wurde später jedoch geadelt. Er starb 1924 im Alter von 53 an einem Schlaganfall, geschwächt von einem Attentat. Sein einbalsamierter Leichnam ist bis heute in einem Mausoleum auf dem Roten Platz mitten in Moskau zu besichtigen.

Seine Rolle in der Geschichte? „Er war ein großer Hasser und ein großer Täter“, schrieb der US-Journalist Louis Fischer, ein Zeitgenosse und selbst ein geläuterter Kommunist. Thomas Mann notierte nach Lenins Tod: „ein großer Papst der Idee, voll vernichtenden Gotteseifer“. Der linke Intellektuelle Michael Brie sagt rückblickend: „Wer über den Stalinismus redet, darf vom Leninismus nicht schweigen.“