Innovationsgeist und Entwicklungsarbeit - dafür sind Stuttgart und seine Region bekannt. Dass dies im Auto-Mekka auch für die zunehmend boomende Fahrradbranche gilt, wissen meist nur eingefleischte Drahtesel-Fans. In loser Folge porträtieren wir daher Macherinnen und Macher der Bike-Szene, wie Fabian Auch.

Vor zehn Jahren kommt Fabian Auch aus Hamburg zurück nach Bad Urach. Er tauscht steife Brise gegen raue Albluft, Wellengang gegen Wasserfälle, plattes Land gegen schroffe Hügel und steile Abfahrten, die Radfahrerherzen höherschlagen lassen. Welch besseren Sitz könnte es für einen Traditionsbetrieb wie Magura geben, dessen Fahrrad- und Fahrzeugkomponenten Bikern – mit weniger oder mehr PS unterm Allerwertesten – ein Leuchten in die Augen zaubert. Denn die heute weltweit agierende Unternehmensgruppe produziert Hochwertiges für Fahrräder, E-Bikes und Motorräder. Qualität made in Germany. Genauer gesagt made im Ländle der Tüftler und Techniker.

 

Doch Fabian Auch sieht weder Vor- noch Nachteil im Standort ganz nah dran an der Autostadt Stuttgart. Eher noch Letzteres, wenn Magura mit Daimler und Porsche um qualifizierte Mitarbeiter konkurriert. „Die mit dem Stern oder Pferdchen im Firmenlogo machen dann oftmals das Rennen.“ Ein Unternehmen wie Magura schafft es überall, ist Fabian Auch überzeugt. Davon kündet die Erfolgsgeschichte des Familienbetriebs, für die Gustav Magenwirth mit seinem Erfindergeist 1893 den Grundstein legt. Magura, der Firmenname setzt sich aus den Anfangsbuchstaben des Namens Magenwirth und dem Gründungsort Urach zusammen, steht für Innovationen und zahlreiche Patente.

Die erste hydraulische Fahrradbremse sorgt für Furore

Mit der Erfindung der ersten hydraulischen Fahrradbremse im Jahr 1987 sorgt Magura in der Bike-Welt für Furore. Der Familienbetrieb aus Schwaben fährt mit Pioniergeist auf der Überholspur. Heute produziert Magura in modernen Werken in Hülben und Hengen, nahe Bad Urach sowie in Taiwan Fahrradbremsen, Motorrad-Komponenten und Industrieteile.

Freilich gibt es bei all den Erfolgen auch Rückschläge. Doch von denen lässt sich Fabian Auch nicht ausbremsen. „Wir können das Rad nicht jedes Jahr neu erfinden.“ Der Markt sei stark gewachsen und globalisiert. Vergleiche mit Shimano und Tektro, deren Scheibenbremsen höhere Absätze verbuchen, lässt Auch nicht gelten. „Beide produzieren auch für das Einstiegspreissegment.“

Die Rückkehr nach Bad Urach bedeutet für den heute 43-Jährigen auch ein Heimkommen. Hier ist der in Tübingen geborene als kleiner Junge durch die Wälder gestreift, hat Tennis gespielt oder ist auf seinem Rad mit seinen Freunden durch die Gegend gefahren. „Nur zum Spaß, nie auf Wettkampfniveau. Eine 80er-Jahre-Kindheit eben“, sagt Auch und grinst.

"Wenn schon Wirtschaft, dann der Familienbetrieb"

Als die Eltern sich scheiden lassen, ist er neun Jahre alt, zieht mit seiner Mutter und Schwester weg aus der schwäbischen Provinz in die Hansestadt. Doch ob Hamburg oder Bad Urach - in seinem Herzen ist beides Heimat. Auch wenn er den Dialekt nicht spricht, seine schwäbischen Wurzeln bleiben. Sein Vater Werner Auch lebt schließlich in Bad Urach, lenkt die Geschicke von Magura in dritter Generation. Dass Fabian ins Unternehmen eintritt, hat er nie forciert, sich aber sehr über dessen Entschluss gefreut. „Ich konnte frei entscheiden, was ich machen wollte. Als ich dann beim BWL-Studium merkte, das ist genau mein Ding, dachte ich, wenn schon Wirtschaft, dann der Familienbetrieb.“

Zunächst orientiert sich Fabian Auch aber an seinem Vater. Absolviert wie dieser Lehr- und Wanderjahre bei verschiedenen Firmen bevor er 2011 mit 34 Jahren bei Magura einsteigt. „Aber nicht auf dem Chefsessel, sondern ganz bewusst erst im mittleren Management.“ Der Junior muss sich hocharbeiten. Seit 2018 ist er geschäftsführender Gesellschafter in der Holding.

Fabian Auch ist Kaufmann mit Zahlenaffinität durch und durch. Aber kein Kontrollfreak, der gerne das Sagen hat, sondern einer, der im und mit seinem Team agiert. Erfolge werden gemeinsam gefeiert. Etwa die Einführung und den Ausbau von SAP oder die Weiterentwicklung der Magura Bike-Parts, der vor 20 Jahren europaweit installierten Händlerbetreuung. Unter Auchs Führung wächst diese von 26 auf 63 Mitarbeiter an.

Nordische Kantigkeit mischt sich mit schwäbischer Bescheidenheit

Darüber freut er sich. Aber still und leise. Auch ist kein Feierbiest. Weder geschäftlich noch privat. Nordische Kantigkeit mischt sich bei ihm mit schwäbischer Bescheidenheit. Auf eine sehr sympathische Weise. Beim 125-jährigen Bestehen von Magura gibt es ihn aber schon, den ganz großen Bahnhof. Mitarbeiter aus Taiwan und aus den USA werden eingeflogen. Gemeinsam mit den mehr als 500 deutschen Angestellten wird ein rauschendes Fest gefeiert.

Dass er, der lieber die leisen Töne anschlägt, manchmal ganz laut die Trommel rühren müsste, ist Fabian Auch bewusst. In Sachen Nachhaltigkeit etwa. Ein Modewort, das derzeit jeder gerne auf den Lippen führt. Bei Magura hat dieses Thema bereits Geschichte. „Betreiben eines zertifizierten Umweltmanagements, Energieverbrauchsmonitorings und Photovoltaik sowie LED-Beleuchtung und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in den Produktionswerken sind fester Bestandteil der Firmenphilosophie.“

Persönlich hält Fabian Auch seinen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich. „Ich versuche so oft es geht statt des Autos das Rad zu nutzen.“ Unschwer für einen, der quasi an der Quelle sitzt. Im Winter schnallt sich Auch jedoch lieber Skier unter die Stiefel, statt mit Spikes an den Mountainbikereifen durch den frischen Pulverschnee zu pflügen. Im Corona-Jahr war Winterurlaub jedoch auch für den drahtigen Magura-Mann, der seine Freizeit gerne draußen verbringt, tabu.

Die Pandemie stellt auch Magura vor Herausforderungen. Allerdings im positiven Sinne. „Es mag sich komisch anhören, aber die Fahrradindustrie gehört zu den sogenannten Gewinnerbranchen der Krise.“ Den Umsatz von 2019 konnte das Unternehmen 2020 deutlich steigern. „Wir arbeiten an unserer Kapazitätsgrenze und deutlich darüber hinaus.“

Statt auf Ellenbogen setzt Auch auf profitables Wachstum

Auch ist ein Zahlenmensch. Aber einer, der sich nicht hinter seinen Bilanzen versteckt und dem es um schnöde Gewinnmaximierung geht. Er will Magura weiter nach vorne bringen. Klar. Aber Ellenbogenmentalität ist nicht sein Ding. Vielmehr setzt er mit seiner besonnenen und ruhigen Art auf ein profitables Wachstum. „Um unsere Selbstständigkeit zu erhalten, damit wir weiterhin als traditionelles Familienunternehmen bestehen können.“ Sicherheit für die Mobilität von morgen will Auch mit Magura schaffen und dabei verantwortlich mit den Ressourcen umgehen.

Was die jüngste Zukunft der Fahrradbranche anbelangt, ist der Holding-Geschäftsführer optimistisch. „Bei einem Blick in die Glaskugel würde ich sagen, dass die hohe Nachfrage auch 2021 sowie 2022 Bestand haben wird. Die Fahrradbranche wird auch danach auf diesem höheren Niveau bleiben und weiterwachsen, allerdings nicht mehr mit den Steigerungsraten, wie wir es aktuell erleben.“

Mit privaten Prognosen hält sich Auch dagegen zurück. Für Aussagen, ob der zwölfjährige Sohn oder die sechsjährige Tochter das Familienunternehmen in 5. Generation fortführen werden, ist es noch zu früh. „Unser Sohn spricht allerdings nun schon länger davon, Pilot werden zu wollen.“

Druck auf seine Kinder auszuüben, kommt für Auch nicht in Frage. Es ist ihnen völlig freigestellt, welchen Beruf sie erlernen wollen. „Meiner Frau und mir ist es dagegen wichtig, Werte wie Vertrauen, Selbstständigkeit und Ehrlichkeit zu leben und weiterzugeben.“


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