Es geht um die Betreuung an der August-Lämmle-Schule: Der Geschäftsführer der Awo Böblingen, Thomas Brenner, wirft dem Ersten Bürgermeister Ulrich Vonderheid vor, im Gemeinderat die Unwahrheit gesagt zu haben.

Leonberg - Das Wort „Lüge“ will Thomas Brenner nicht in den Mund nehmen. Der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Böblingen-Tübingen (Awo) spricht von „Unwahrheit“ und „Halbinformationen“. „Ich bin betrübt über die Art, wie man uns aus der Jugendsozialarbeit hinausgekegelt hat, denn ich war von der Stadt Leonberg stets eine offene Partnerschaft gewohnt“, sagt Brenner.

 

Damit reagiert er auf die Diskussionen in der jüngsten Sitzung des Leonberger Gemeinderats, die sich daran entfacht hatten, dass vom Schuljahr 2018/19 an die Schulsozialarbeit in der August-Lämmle-Schule nicht mehr in den Händen der Awo liegen wird (wir berichteten). „Mit dem Leonberger Jugendhausverein arbeiten wir über viele lange Jahre sehr kollegial, konstruktiv und entspannt zusammen“, sagt Brenner.

Doch dies hatte anders geklungen, als der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid das Thema im Gremium präsentierte. „Die Awo wollte nicht als Subunternehmen des Jugendhausvereins tätig sein“, sagte er bereits im vorangegangenen Sozialausschuss.

70- oder 100-Prozent-Stelle angeboten?

Der Stadtrat fasste nämlich mehrheitlich den Beschluss, die Kinder- und Jugendarbeit inklusive der Schulsozialarbeit sowohl im Ramtel als auch in Eltingen beim Jugendhausverein anzusiedeln. Dieser Wechsel des Trägers geht auch damit einher, dass die derzeitige Stelleninhaberin Elviera Schüller-Tietze in zwei Jahren in den Ruhestand geht. „Wir haben der Awo eine 100-Prozent-Stelle zum Weitermachen angeboten, allerdings unter der pädagogischen Federführung des Jugendhausvereins“, sagte Vonderheid sowohl im Ausschuss als auch im Gemeinderat in seiner Rolle als Verhandlungsführer in den Gesprächen mit der Awo.

„So stimmt das nicht, das ist eine Unwahrheit“, sagt Thomas Brenner auf Nachfrage unserer Zeitung. „Es ging um ein mindestens um 30 Prozent reduziertes Deputat. Wenn eine 100-Prozent-Stelle für die Awo im Raum gestanden hätte, wäre unsere Antwort mit Sicherheit eine andere gewesen“, betont der Awo-Geschäftsführer. „So sehen wir für uns aber keine Perspektive. Und weil die Schmerzgrenze erreicht war, haben wir abgelehnt“, sagt Brenner.

Abschied von der klassischen Schulsozialarbeit

„Von einer reduzierten Stelle war nie die Rede“, bekräftigt der Erste Bürgermeister. Der Leistungsumfang der Awo sollte nie geschmälert werden, allerdings sollte sie in Zukunft unter der pädagogischen Führung des Jugendhausvereins agieren, habe er im Beisein von Amtsleiterin Gabriele Schmauder dem Awo-Geschäftsführer eröffnet. „Ich habe doch keinen Grund, den Gemeinderat anzulügen“, meint nun der Finanz- und Sozialbürgermeister erstaunt.

Der springende Punkt sei, dass der Gemeinderat schon seit Längerem beschlossen habe, stadtweit von der klassischen, auf die Schule abgestimmten Sozialarbeit auf die sozialraumbezogene umzusteigen. Mit dem Bau des Jugendhauses in Eltingen seien Weichen gestellt, an denen man nicht vorbei komme, meint der Erste Bürgermeister. „Ultima Ratio wäre gewesen, dass wir die Sache ausschreiben, und dann hätte jeder Träger, der das Personal stellen kann, die Arbeit übernehmen können – aber das wollen wir nicht“, sagt Vonderheid.

Rausgedrängt oder nachgekartet?

Brenner ist überzeugt: „Obwohl wir seit 1997 immer kompetent und zur Zufriedenheit aller unsere Arbeit gemacht haben, will uns die Stadt mit ihrer neuen Trägerpolitik draußen haben.“ Das habe schon damit begonnen, dass die Stadt es abgelehnt habe, die Schulsozialarbeit an der Schellingschule – diese hatte die Arbeiterwohlfahrt als erste in der Stadt aufgebaut – in einer gemeinsamen Trägergemeinschaft mit dem Waldhaus zu gestalten.

Befremdlich findet es der Geschäftsführer der Awo auch, dass kein vertiefendes Gespräch stattgefunden hat. „Es war eine kurze Bekanntgabe ohne inhaltliche Debatte“, so Brenner. „Diese Halbinformationen haben uns überrascht, wir haben erwartet, dass noch was folgt.“ Früher sei es auch Usus gewesen, dass in die Gemeinderatssitzung eingeladen wurde, wenn die Awo in einem Punkt betroffen war. „Jetzt haben wir den Eindruck, dass alles kurzschlüssig ohne viel Rückkoppelung durch den Gemeinderat gepaukt werden sollte“, sagt der Awo-Geschäftsführer sauer.

Nur noch eine Gruppe in der Pestalozzi-Schule

Vonderheid hat eine Vermutung: „Es erweckt den Eindruck, dass die Awo nachkartet, weil sie in der Pestalozzi-Schule nicht als einziger Träger mit der Schulsozialarbeit zum Zug gekommen ist.“ Entgegen einem Antrag von SPD-Kreisrat Thomas Brenner im Sommer 2015 habe der Böblinger Kreistag beschlossen, sagte Vonderheid, dass es, abhängig von der Schülerzahl, in der Förderschule in der Bahnhofstraße künftig nicht wie bisher zwei von der Awo betreute Sozialgruppen gibt, sondern nur eine. Diese wird vom Landkreis finanziert und betreut auch weiterhin die Awo.

Bei ihrem Ersuchen, die zweite Gruppe von der Stadt bezuschussen zu lassen, ist die Awo auf Ablehnung gestoßen. Die Verwaltung und der Gemeinderat wollten die Schule jedoch nicht hängen lassen und stellten ihr im Einklang mit dem Konzept der sozialraumbezogenen Jugendsozialarbeit eine 25-Prozent-Stelle zur Verfügung. Die ist allerdings beim Waldhaus angesiedelt – die restlichen 75-Prozent der Stelle kommen dem Johannes-Kepler-Gymnasium zugute.

Info: viele träger sind in die Jugendsozialarbeit eingebunden

Schule
Die Schulsozialarbeit orientiert sich allein an den Kindern und Jugendlichen als Schüler. Sie hat einzelne Problemfälle im Blick, sie macht Einzelförderung und ergänzt den Unterricht. Sie ist auf Probleme wie Gewalt oder Drogen sowie Prävention bezogen und an der Schule tätig.

Sozialraum
„Die sozialraumbezogene Schulsozialarbeit orientiert sich an den Räumen, in denen sich die Kinder und Jugendlichen aufhalten, also ihrer gesamten Lebenswelt“, erläutert die Stadtsprecherin Undine Thiel. Die Schule sei ein wichtiger (aber nicht der einzige) Lebensort. Sie biete niederschwellige Freizeitangebote außerhalb, aber auch in der Schule. Es sei nicht hilfreich, wenn die Betreuung nach Schulschluss endet.

Jugendhausverein
Der Verein ist derzeit für die Jugendarbeit im Jugendhaus Eltingen, im Treff Warmbronn und in Gebersheim sowie in der Ostertagrealschule zuständig.

Awo
Die Arbeiterwohlfahrt betreut die August-Lämmle-Schule, die Pestalozzischule und die Stadtranderholung.

Waldhaus
Hier ist die Sozialarbeit in der Kernstadt, die der Gerhart-Hauptmann-Realschule, der Pestalozzischule und des JKG angesiedelt.

Jugendhilfe
Der Verein für Jugendhilfe Böblingen betreut den Teilort Höfingen.