Beim Business-Network wird über Herausforderungen für die Wirtschaft und die Politik diskutiert.

Leonberg - Die größte Taxifirma der Welt (Uber) besitzt keine Taxis, der größte Zimmervermittler (Airbnb) keine einzige Wohnung, der aggressivste Händler (Alibaba) kein einziges Lager“, sagt Joachim Dorfs. Der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung hat als Gast des Leonberger Business-Network das Thema „Disruptionen in Wirtschaft und Politik: Herausforderungen für die Gesellschaft“ beleuchtet.

 

„Es reicht nicht mehr, dass die Idee eines Jungunternehmers nur neu und besser ist. Damit er Geld bekommt, muss sie disruptiv, sprich zerstörerisch sein“, formuliert es Dorfs überspitzt. Traditionelle Geschäftsmodelle, Produkte, Technologien oder Dienstleistungen werden dabei von innovativen Erneuerungen abgelöst und sogar vollständig verdrängt und zerstört.

Neuentwicklungen mit großen Folgen

Zwei ganz wesentliche disruptive Trends habe es in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten gegeben: die Globalisierung sowie die Digitalisierung und Vernetzung, sagt der Journalist. Bei der Globalisierung setze gerade eine Rolle rückwärts ein. Viele lehnten den Freihandel ab und Neuentwicklungen, wie der 3-D-Drucker, machen inzwischen die Verlagerung von Produktionen in Billiglohnländer nicht mehr erforderlich.

Joachim Dorfs vertritt die These, dass Digitalisierung und Vernetzung heute eine viel größere Herausforderung darstellen. Das macht er am Beispiel der Automobilindustrie fest. Derzeit würden sich alle sorgen, wie der Wandel zum Elektro-Auto bewerkstelligt werden kann. Verbunden mit Fragen, wo die Wertschöpfung entsteht oder wie viel Personal notwendig ist.

Da komme aber die Digitalisierung ins Spiel. Fahren in zehn Jahren vollautomatische Autos, werde sich der Verkehr auf Robotertaxis verlagern. Eine berechtigte Sorge sei, dass sich Mobilitätsdienstleister wie Uber zwischen Daimler und den Kunden schieben. „Damit wäre Daimler nur noch Lohnfertiger für Uber“, formuliert es Dorfs pointiert. Das müsse nicht so kommen, auszuschließen sei es aber nicht. Welche Auswirkungen so etwas hat, zeige das Beispiel USA, wo in 28 von 50 Bundesstaaten Fernfahrer heute der häufigste Beruf ist.

Künstliche Intelligenz beschleunigt die Digitalisierung

Beschleunigt werde der Prozess der Digitalisierung und Vernetzung durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, also selbstlernender Maschinen. Es gebe schon heute Computerprogramme, die zwar nicht alle Berufe, aber einige Rechtsanwälte, Ärzte oder Journalisten ersetzen können. Das Beunruhigende dabei sei, dass gerade die Vorantreiber solcher Technologien, wie Telekom-Chef Timotheus Höttges, Siemens-Chef Joe Kaeser oder Tesla-Inhaber Elon Musk, vor einem massiven Arbeitsplatzabbau durch diese Techniken warnen. Eine große Gefahr sei dabei, dass keine anderen Betätigungsfelder entstehen „Das sind keine linken Maschinenstürmer, die sich hier zu Wort melden“, macht Dorfs deutlich.

Diese Entwicklungen bleiben nicht ohne Folgen für die Politik. „Die mächtigste Kraft für politische Umwälzungen resultiert aus den wirtschaftlichen Veränderungen“, schlussfolgert Dorfs. Sie bedrohten gegenwärtige Machtverhältnisse. „Ich gehe nicht so weit, dass die parlamentarische Demokratie gefährdet ist, Deutschland ist populismusresistent“, sagt Dorfs.

Die Mitte der Gesellschaft entscheidet

Aber man müsse den Blick nur auf Frankreich richten. „Wenn es blöd läuft und Marine Le Pen gewählt wird, steht der Fortbestand der EU in Frage“, zeigte sich Dorfs besorgt. Allerdings sei Frankreich nicht mit Deutschland zu vergleichen. Während Deutschland zu den Gewinnern der Globalisierung zähle, sei Frankreich ein Verlierer. Dort fühlten sich ganze Schichten und Generationen vom sozialen Abstieg bedroht.

Entscheidend für die Zukunft Deutschlands und einen politischen Wechsel sei, wohin die Mitte tendiere, zur Sorge oder zur Zuversicht, meint Dorfs. Die moderate Form ist ein Macht-, die radikale ein Systemwechsel. Kurzfristig bedeute das für die Politik ein Gerechtigkeitswahlkampf um die Mitte, in den Fragen Rente, Steuern und Arbeitsmarkt. Das sei bekannt und werde, egal wie es kommt, die Republik nicht aus den Angeln heben. „Doch langfristig kommen wir nicht umhin, die Sozialleistungen komplett umzukrempeln und völlig neu zu finanzieren“, sagt Joachim Dorfs.

Beim Treffen hat das Business-Network auch seinen Vorstand für die nächsten drei Jahre gewählt. Im Amt bestätigt wurden der Vorsitzende Martin Koppenborg von MBtech Consulting, der Schriftführer Dirk Buddensiek, Vorstand der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg, der Schatzmeister Jürgen Held, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Region Leonberg und Vorstandsmitglied Uwe Reichert, Geschäftsführer des Zeitungsverlags Leonberg.