Im Sportverein herrscht großes Unverständnis für die Abschiebung eines 45-jährigen Iraners.

Leonberg - Das ist einer der besten Tage in meinem Leben.“ Wenn das ein Mensch sagt, der gerade von großen Sorgen geplagt und tiefsten Ängsten heimgesucht wird, ist das die höchste moralische Auszeichnung für die Handballabteilung des SV Leonberg/Eltingen. Denn der Iraner Reza Nikooyeh soll in diesen Tagen nach Italien abgeschoben werden.

 

Es ist ein bewegender Augenblick gewesen, als sich weit mehr als 100 Sportler und viele Eltern sowie zahlreiche Vereinsmitglieder nach einem spontanen Aufruf in den sozialen Netzwerken in der Halle des Sportzentrums um Reza Nikooyeh geschart haben, um ein gemeinsames Foto zu machen, das mehr als Tausend Worte aussagt. Die Botschaft der Handballer ist eindeutig: „Reza muss bleiben! Wir wollen unseren Jugendtrainer und Schiedsrichter behalten und vor der Abschiebung bewahren!“ Ralf Heimerdinger, der Abteilungsleiter Handball beim SV, bringt es auf den Punkt: „Wir wollen zeigen, dass wir ihn gern in unserer Mitte haben und es drückt aus, wie wir alle zu ihm stehen.“

Er ist Vater von zwei Töchtern

Reza Nikooyeh (45) verheiratet und Vater zweier Töchter im Alter von fünf und 16 Jahren, ist im November 2017 aus dem Iran nach Deutschland gekommen. „Dafür hat er in seiner Heimat viel Geld bezahlt, dessen Verbleib nicht zugeordnet werden kann“, formuliert es Heimerdiger diplomatisch. Er hat mit Reza Nikooyeh viele Gespräche geführt. Der musste alleine sein Heimatland verlassen, weil er zum Christentum konvertierte, und weil er vor einigen Jahren an Protesten gegen das Mullah Regime teilgenommen hatte. Ihm drohte und droht immer noch mindestens Gefängnis. „Laut seinem Anwalt muss er damit rechnen, nach iranischem Recht verurteilt zu werden“, sagt Heimerdinger. „Dass diese Rechtsprechung nicht europäischem Recht entspricht, wissen wir alle aus den täglichen Nachrichten“, sagt der SV-Abteilungsleiter.

Die Flucht des 45-Jährigen nach Europa und Deutschland führte ihn über Italien (wo er registriert wurde), Karlsruhe und Heidelberg nach Leonberg, wo er seit Januar 2018 in einem Zimmer der Flüchtlingsunterkunft in der Rutesheimer Straße wohnt. Doch gerade diese Route lässt bei ihm das Dubliner Abkommen greifen, was bedeutet, dass Reza nach Italien zurück muss. „Einziger Trost ist, dass das Land nicht nach Iran abschiebt, allerdings sind die Asylsuchenden hier sich selbst überlassen“, sagt Heimerdinger. Er findet, dass es eine Schande für die EU sei, Italien und Griechenland nicht stärker zu unterstützen. „Das ist ein ungesunder Kreislauf“, sagt Heimerdinger. Er hofft, dass Kontakte zu einer kirchlichen Organisation geknüpft werden können, die sich in Italien um geflüchtete Sportler kümmert.

Schiri auf Bundesliga-Niveau

„Reza hat sich bei uns seit seiner Ankunft als Jugendtrainer und Schiedsrichter engagiert“, sagt Frank Heer, der Jugendkoordinator der Handballabteilung. Der gelernte Bürokaufmann aus dem Iran trainiere erfolgreich die C-Jugend – die Spieler sind zwischen zwölf und 14 Jahre alt. „Als Schiedsrichter, der in seiner Heimat auf Bundesliga-Niveau gepfiffen hat, ist er eine Autorität auf dem Spielfeld“, sagt Heer. Als umgänglicher und feiner Mensch unterstütze Reza die Handballabteilung bei vielen Events und helfe, wo er nur könne, bestätigt Ralf Heimerdinger.

Viel Unverständnis herrscht im Verein darüber, warum jemand, der sich so vorbildlich in die deutsche Gesellschaft einbringe, nicht bleiben kann. „Wir wollen und brauchen doch Zuwanderer, die gebildet sind und sich integrieren, deshalb fordern wir: Reza muss bleiben“, sagt Heimerdinger. Niemand zweifle an der aktuellen Rechtsprechung, es gehe darum, den vorhandenen Spielraum für humanitäre Lösungen zu nutzen, meinen die Sportler.

Viel Unterstützung hat Reza Nikooyeh auch vom Arbeitskreis Asyl Renningen und der evangelischen Kirchengemeinden Malmsheim unter Pfarrer Niels Hoffmann erfahren. Hier wurde er auch getauft. Dabei bekommen im Diakonieverband der Kirchenbezirke Leonberg, Böblingen und Herrenberg die Kirchengemeinden und ehrenamtlich Engagierte Hilfestellung von den eigens dafür geschaffenen Stellen für Flüchtlingsarbeit. Diese 1, 5 Stellen werden über fünf Jahre mit von der Landessynode bereitgestellten Gelder finanziert.

„Wie es weiter geht, entscheidet Reza selbst. Aber als korrekter Mensch, der bei uns alle Zusagen eingehalten hat, wird er bestimmt nichts Illegales tun“, ist Ralf Heimerdinger überzeugt. In Baden-Württemberg ist das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig, dass ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber das Land verlassen. Das kann als freiwillige Ausreise geschehen oder als Abschiebung. In letzterem Fall werden die Beamten der speziellen „Abschiebegruppe“ der Polizeidirektion Ludwigsburg eingesetzt, wobei auch die örtlichen Reviere eingebunden werden.