In Baden-Württemberg wollten 2018 gerade mal zwei Auszubildende lernen, wie man eine Orgel baut. Warum es für Lukas Degler trotzdem keinen schöneren Beruf gibt.

Leonberg - Die Orgel vereint auf wunderbare Weise ein Orchester in sich“, sagt Lukas Degler. Und kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Der 21-Jährige steht in einer lichtdurchfluteten Werkstatt. Es riecht nach frischem Holz, auf dem Boden tummeln sich hartnäckig ein paar weiße Farbreste und außer dem gleichmäßigen Sirren einer Säge ist es in den hohen Räumen absolut still. Hier, im Herzstück des Leonberger Orgelbauers Mühleisen, hat Lukas Degler während seiner Ausbildung viel Zeit verbracht, wenn er nicht gerade auf Montage war.

 

Auf Konzerten springt der Funke über

Orgelbauer ist sein absoluter Traumberuf. Etwas anderes lernen, undenkbar für den 21-Jährigen. Bis zur elften Klasse war er auf dem Gymnasium, länger hat er es nicht ausgehalten. „Ich habe immer schon mehr Musik gemacht, als ich gelernt habe“, sagt er und schmunzelt. Mit seinem Vater war er öfters auf Orgelkonzerten, dort ist dann der „Funke übergesprungen“ und er hat sich endgültig in das große Tasteninstrument verliebt. Und das merkt man. „Flöte, Geige und Trompete, kombiniert mit tiefen Bässen und hohen Tönen von einer Spielmöglichkeit aus, das macht die Orgel so einzigartig“, erklärt er.

Die Mühleisen Werkstätte erinnert an vergangene Zeiten. Sie passt so gar nicht neben die modernen Wohnhäuser, die sich an der Straße entlang hangeln. Zwischen großen Bäumen versteckt befindet sich der Eingang, der zu den Orgelbauern führt. Eineinhalb bis zwei Jahre dauert es im Durchschnitt, bis eine Kirchenorgel fertig ist. Manchmal noch länger. Die Kirchengremien entscheiden nach einer öffentlichen Ausschreibung, wer den Zuschlag erhält. Dann geht es an die Planung. Welche gestalterische Aussage soll das Tasteninstrument haben? Von modern bis historisch, die Bandbreite ist riesig. Dabei ist jedes Stück ein Unikat.

Abwechslung ist garantiert

So wie keine Orgel der anderen gleicht, gleicht auch kein Tag beim Orgelbau dem anderen. „Ich kenne keinen Beruf, der so vielseitig ist“, sagt der 21-Jährige, „von Elektrotechnik über die Mechanik und Physik, Holzbearbeitung und natürlich ein sehr gutes Gehör, es ist alles dabei“. Ziemlich genau eine Million Euro, würde eine Orgel für die Leonberger Stadtkirche kosten. Pro Orgelregister kann zwischen 12 000 und 15 000 Euro gerechnet werden. Es kommt also immer darauf an, wie viele Register benötigt werden, um eine Kirche ausreichend zu beschallen. Eine Orgel für das Ulmer Münster etwa würde zwischen zwei und zweieinhalb Millionen Euro kosten.

Elektronische Orgeln sieht der 21-Jährige übrigens nicht so kritisch, wie manch anderer. „In den Petersdom eine elektronische Orgel zu stellen, finde ich unmöglich aber für kleinere Gemeinde, die gerne eine hätten, sich aber keine leisten können, ist die elektronische Variante doch eine gute Lösung“, sagt Lukas Degler. Er hat sogar selbst so ein Modell bei sich zu Hause, um darauf zu üben. Denn für Familie, Freunde und Arbeitskollegen gibt er gerne kleine Konzerte. Dann aber an einer richtigen Orgel in der Kirche.

Ganz viel Idealismus

Warum so wenig Interesse an seinem Beruf besteht, kann er sich auch nicht erklären. In Baden-Württemberg gab es dieses Jahr lediglich zwei, in ganz Deutschland nicht mehr als fünfzehn Auszubildende. „Vielleicht ist es das geringe Gehalt in der Lehre oder die Tatsache, dass viele junge Leute sich nicht mehr so für die klassische Musik interessieren“, sagt der 21-Jährige. Er bekam damals finanzielle Hilfe von seinen Eltern, aber auch ohne die Unterstützung wäre er Orgelbauer geworden. „Diesen Beruf macht man aus Idealismus oder gar nicht“, erklärt er. Für den 21-Jährigen steht fest, er will nichts anderes mehr machen. Vielleicht in ein paar Jahren noch seinen Meister ranhängen, aber bis dahin, erstmal Arbeitserfahrung sammeln. In dem, für ihn, schönsten Job der Welt.