Die Amtsrichterin geht jedoch davon aus, dass das 44 Jahre alte Opfer Angst vor einer Aussage hat. „Ich habe Kinder“, sagte der Malträtierte.

Leonberg - Am Ende ist der Richterin nichts anderes übrig geblieben, als die beiden Angeklagten freizusprechen. Denn ob die beschuldigten Männer auf ihn eingeschlagen hatten, das konnte das Opfer, ein Elektroinstallateur aus Westfalen, nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. „Das Tatgeschehen lässt sich somit nicht aufklären“, befand die Richterin Sandra De Falco in der wegen Körperverletzung geführten Verhandlung am Leonberger Amtsgericht. Klar sei aber, dass der Geschädigte geschlagen worden ist. „Sie möchten wohl nicht aussagen, weil Sie Angst vor Repressalien haben“, befand die Richterin.

 

Denn offenbar wollte sich das 44-jährige Opfer nicht mit den beiden Angeklagten anlegen. Die Pfälzer waren früher Mitglieder im berüchtigten Motorradclub „Gremium MC“, der wegen seiner kriminellen Aktivitäten vom Verfassungsschutz beobachtet wird und in einigen Bundesländern sogar verboten ist. Während der 43-Jährige eigener Aussage nach letztmals vor 20 Jahren die schwarze Lederkutte mit der geballten Faust als Rückenabzeichen getragen habe, gab der 46-jährige Mitangeklagte an, dass er in der Tatnacht im September vor einem Jahr noch der Gruppierung angehörte. Damals besuchten die beiden mit drei weiteren Bekannten die Motorradveranstaltung „Glemseck 101“ und machten sich in den Abendstunden auf den Weg zu einer Pension in der Stadt. Dann kam es laut der Anklageschrift am Rande des abgesperrten Geländes zu einem Streit zwischen der Gruppe und dem Westfalen – es ging um ein Taxi.

Aussagen widersprechen sich erheblich

Was dann folgte, darüber gingen die Aussagen auseinander. Die Angeklagten wie auch ihre vernommenen Begleiter sagten aus, der Mann habe sie tätlich angegangen. Daraufhin habe ihn der 46-Jährige weggeschubst. Der Elektroinstallateur berichtete indes, dass er von den beiden mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden und anschließend weggelaufen sei.

Doch ob es sich bei den Schlägern tatsächlich um die Männer auf der Anklagebank handelte, das konnte er vor Gericht nicht mehr mit Gewissheit sagen. „Es war schon dunkel und ich hatte getrunken“, erklärte der 44-Jährige, der aber gegenüber der Polizei die beiden identifizieren konnte. Seine damalige Aussage wollte er später allerdings zurückziehen. „Warum?“, wollte die Richterin von ihm wissen. „Ich wusste, dass sie in einem Motorradclub sind“, antwortete er und fügte hinzu: „Ich habe zwei Kinder.“ Rätsel gaben nicht zuletzt die Verletzungen des Mannes auf. Der geladene Polizeibeamte berichtete, dass er im Gesicht des vermeintlichen Opfers nicht einmal eine Rötung feststellen konnte. Daher habe er damals bei der Vernehmung auch keine Lichtbilder angefertigt. „Glauben Sie, dass wenn ich mit der Faust hingelangt hätte, nichts zu sehen wäre?“, fragte daraufhin der 46-jährige Angeklagte zynisch.

Staatsanwältin: „Der erste Schlag kam von Ihnen“

Die Staatsanwältin war dennoch überzeugt davon, dass der Mann zugeschlagen hatte. „Der erste Schlag lässt sich Ihnen zurechnen, von wem der zweite kam, bleibt aber unklar“, sagte sie und forderte für den Berufskraftfahrer eine Geldstrafe von 600 Euro. Den arbeitssuchenden Mitangeklagten hingegen sollte das Gericht ihrer Meinung nach freisprechen.

Der Anwalt, eigener Aussage nach selbst Mitglied in dem Motorradclub, fasste sich kurz: „Wenn nicht einmal der Belastungszeuge weiß, wer ihn geschlagen hat, dann kann man auch nicht zu einer Verurteilung kommen.“ Dem schloss sich die Amtsrichterin notgedrungen an und sprach die beiden bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Männer frei.